texte ⇒  schwiegermüll

schwiegermüll

Kasten Vorraum/

Ausschnitte gesendet auf ORF / Radio Steiermark / November 2006 

 

Jetzt sitz ich immer noch da. Auf der Stiege. Dicke Bretter. Abgetreten in der Mitte, wo man immer geht, so alt sind die. Auf der Seite steht der Müll. Plastikmüll, Papiermüll, Altglas, Dosen. Tetrapak extra. Was wir Saft brauchen. Und Milch. Restmüll ist wenig, wenn man gescheit trennt. Der Biomüll ist oben, unter der Abwasch. Den bringt auch keiner runter. Niemand bringt den Dreck hinunter. Hierher wird er gestapelt, auf die Stiege. Immer auf die Stiege. Wenn ich heimkomm in der Nacht mach ich kein Licht im Stiegenhaus, damit ich niemand stör. Man sieht es oben, das Licht. Oben in der Tür ist eine Glasscheibe. Unten auch. Lärm mach ich keinen, sowieso nicht. Ich will keinen Lärm machen. Wie soll ich keinen Lärm machen, wenn ich im Finstern über den ganzen Dreck drüber flieg. Natürlich macht das Lärm. Und dann fluch ich auch noch, sagt sie. Wie soll ich nicht fluchen. Ich hab es tausendmal gesagt, dass der Müll auf der Stiege nichts zu suchen hat. Das hört keiner. Und die Joghurtbecher. Die sammeln sie noch extra. Egal. Jetzt ist es schon egal.

 

Rechtsraucher, Rechtstrinker, Rechtsträger sag ich immer. Und der Aschenbecher rechts vom Bier. Das sag ich auch. Über den Aschenbecher kannst du drübergreifen zum Bier, aber mit der Zigarette kommst du nicht durchs Glas. Wie soll das gehen mit der rechten Hand. Aber da ist keine Ordnung. Durcheinander ist sowieso genug, da kann wenigstens da eine Ordnung sein. Muss ich halt weggehen, wenn das daheim niemand interessiert. Was soll ich denn sonst machen. In diesem Saustall kann ja keiner leben. Ich nicht. Niemand kann in so einem Saustall leben. Denk ich halt. Aber die können das schon. Ich nicht. Bei mir ist eine Ordnung.

 

Und dann wundern sie sich, wenn man laut wird. Wenn ich was normal sag, hört das ja keiner. Ich muss es ja laut sagen. Ich soll nicht schreien, sagt sie. Ich schrei nicht, sag ich. Schreien ist viel lauter. Wenn ich schreie ist das viel, viel lauter. Vorne rinnt es. Es rinnt die Stiege runter. Früher war das nicht so mit der Streiterei. In der Wohnung war das nicht so. War eine schöne Wohnung. Groß, hell, mit Balkon. Im Sommer Paradeiser auf dem Balkon. Schmecken gut. Sind gut gegen Gelsen. Gelsen mögen keine Paradeiser. Für die Kinder ein eigenes Zimmer, das haben wir am Anfang auch nicht gehabt. Ganz am Anfang. Da war es ja nur ein Kind. Aber die war zu teuer, die Wohnung. Da haben wir dann raus müssen. Weg.

 

Ich hätt schon was gefunden. Ich kann ja nichts dafür, wenn die die Firma verkaufen, und ich steh da ohne Arbeit. Das hat ja andere auch getroffen, das war ja nicht nur ich. Verkaufen die Firma, und dann sperren die die Firma zu. Was das für einen Sinn hat, weiß ich nicht. Das versteh ich nicht. Wie soll man da was verdienen. Aber mit uns können sie´s ja machen, wir sind ja eh allen wurscht.

 

Dann sind wir zu ihrer Mutter gezogen. Bei der Schwiegermutter in den ersten Stock. Die hat ein Haus mit Garten. In den Garten dürfen wir nicht. Die Kinder auch nicht. Das gehört nicht dazu, hat sie gesagt. Das war nicht ausgemacht. Durch den Garten hin zum Haus. Und vom Haus durch den Garten hin zur Straße, das ja. In den Garten, nein. Platz wär genug, aber es ist nicht ausgemacht. Im Garten rennt ihr Hund herum und scheißt alles voll. Und er bellt. Jetzt nicht, jetzt ist er still. Ist auch Zeit geworden, dass da eine Ruh ist, diese Keiferei hält ja kein Mensch aus. So ein kleiner Köter. Ein Handhund. Aber laut wie ein großer. Jetzt nicht mehr. Jetzt ist Ruhe.

 

Still ist es jetzt. Im ganzen Haus ist es still. Die Schwiegermutter liegt unten und schläft. Und bei den anderen hab ich dafür gesorgt, dass eine Ruh ist. Immer der Lärm. Und der Dreck. Überhaupt keine Ordnung. Da kann sich ja kein Mensch konzentrieren. Ich muss dann ja wieder weg, in die Arbeit. Natürlich hab ich eine gefunden. Wenn einer will, findet er immer was. Ist nicht so gut wie vorher, finanziell halt. Aber sonst picobello. Bei dem Lärm kann sich ja keiner konzentrieren. Wenn ich mich erholen will, muss ich mich konzentrieren. Entspannen kann man sich nur, wenn man sich konzentriert. Einfach so herumliegen, das bringt nichts, da erholt man sich ja nicht. Konzentration, das ist Entspannung. Erholung. Aber das versteht hier keiner.

 

Sie keift ja auch immer. Ich war dagegen, dass wir hierher ziehen. Ich hätt schon was gefunden, eine Wohnung. Oder von mir aus ein Haus. Ein Häuschen. Aber sie hat es wieder eilig gehabt. Es ist billig, hat sie gesagt. Und ein Garten ist auch dabei. Von wegen Garten. Na gut, das hat sie damals nicht wissen können. Das war erst nachher. Aber die ewige Keiferei, das hätt sie schon wissen können. Ist ja schließlich ihre Mutter. Das muss sie doch wissen. Die kennt sie ja schon ein Leben lang. Die war ja früher auch schon so. Ich hab das kommen sehen. Ich hab immer schon ein schlechtes Gefühl gehabt bei der. Wie ich sie das Erste mal gesehen hab, hab ich mir mein Teil gedacht. Das hat dann auch gestimmt. Jetzt schläft sie unten.

 

Ruhig ist es im Haus. Es rührt sich nichts. Als ob niemand da wär. Als ob ich alleine wär. Vorne rinnt es. Ich hätt es nicht herausziehen sollen. Aber ich habs ja gebraucht. Jetzt rinnt es da herunter. Wird auch wieder. Nur keine Sorgen machen, das wird wieder. Ist immer noch gegangen, so schlimm ist es auch wieder nicht. Weh tut es jedenfalls nicht. Zuerst schon, jetzt nicht mehr. Was solls, das heilt wieder. Muss ja, ich muss ja wieder in die Arbeit. Ich muss ja was tun. Ich muss ja für uns sorgen. Das ist ja schön, wenn man für jemand sorgen kann. Für die Kinder, für die Frau. Für uns halt. Das macht mir Freude.

 

Hier gibt es keine Freude mehr. Diese Krätzn hat nur Unfrieden hineingebracht. Schwierigkeiten haben wir schon auch gehabt. Immer wieder. Aber da hat man über alles reden können, früher. Wenn es Schwierigkeiten gegeben hat, haben wir halt drüber geredet. Waren genug Schwierigkeiten. Meistens wegen dem Geld. War nie genug da. So viel verdien ich nicht. Und seit die Kinder da sind, geht sie ja auch nicht mehr arbeiten. Das ist schon richtig, die Kinder brauchen jemanden. Daheim sein muss wer. Ich muss ja arbeiten. Das Geld. Das war früher besser. Früher haben sie noch was gezahlt, wenn man was gearbeitet hat. Heute kannst du fast schon selber Geld mitbringen für deine Arbeit, das wär ihnen am liebsten. Obwohl, da wo ich jetzt bin, das geht schon. Das ist in Ordnung.

 

Die Schwiegermutter. Ich sag nur mehr Krätzn. Ständig am keifen, nie passt was. Wollt ich zusammenräumen ums Haus, steht ja alles irgendwie in der Gegend herum. Hätt ich nicht tun sollen. Zwei Tage durch: was ich mir einbild, ob ich glaub, dass sie das nicht selber kann, und außerdem sind das ihre Sachen, die gehen mich überhaupt nichts an, und im Garten hab ich sowieso nichts zu suchen, das ist nicht ausgemacht. Zwei Tage. Und meine auch noch dazu: ich hätt mich halt nicht einmischen sollen. Die hat ihr auch noch Recht gegeben. Und sie wieder: ob ich es nicht erwarten kann, es wird sowieso alles einmal ihr gehören, also meiner Frau, weil mir sicher nicht, mir wird hier sicher nie was gehören, da wird sie schon dafür sorgen. Die ganze Zeit. Als ob mir das nicht wurscht wär. Von mir aus kann sie ewig leben. Obwohl. Dann bin ich halt wieder weg. Und da haben sie auch noch hinterhergeschimpft. Geht er wieder saufen, der Feigling.

 

Das haltet ja kein Mensch aus. Auf die Dauer nicht. Da geh ich innerlich zugrunde, wenn nie eine Ruhe ist. Wenn man sich nie konzentrieren kann. Aber das war ihr immer schon egal. Früher nicht, da war es besser. Aber seit wir hier wohnen. Wohnen. Wohnen kann man das nicht nennen. Das Dachgeschoss von einem kleinen Einfamilienhaus. Sechzig Quadratmeter für vier Leute. Unterm Dach. Im Sommer heiß, im Winter kalt. Ich hab schon ausgemalen, hergerichtet hab ich auch einiges. Aber so richtig ist das nie was geworden. Wie auch. Die ganze Hütte hätte man umbauen müssen. Dann vielleicht. Aber das zahlt sich ja gar nicht aus. Wegreißen, neu bauen, das ist billiger. Besser auch.

 

Feigling haben sie mich genannt. Haben alle hören können. Die ganze Nachbarschaft. Und Säufer. Da hab ich einen ziemlichen Zorn gehabt. Aber ich bin ganz ruhig geblieben. Ich hab mir mein Teil gedacht. Ihr werdet schon noch sehen, hab ich mir gedacht. Bei jeder Zigarette, bei jedem Bier. Ihr werdet schon noch sehen. Mein Auto hab ich verkauft. Mit dem Bus fahr ich zur Arbeit, mit dem Fahrrad manchmal. Und dann kann ich mich einen Feigling nennen lassen. Feigling. Das war das Letzte. Das ist dann aber auch verraucht. Wie der ganze Abend. Ich kann mich nicht erinnern.

 

Vorne rinnt es die ganze Zeit, es rinnt die Stiege hinunter. Ich darf mich nicht aufregen. Wenn ich mich aufrege, tut es weh. Ich bin eingeschlafen. Tun. Ich muss was tun. Anrufen vielleicht. Irgendwas war, ich kann mich nicht erinnern. Ich sitz auf der Stiege und kann mich nicht erinnern. Es ist alles ruhig. Es muss Nacht sein. Ich weiß nicht, wie spät es ist. Die Uhr liegt wahrscheinlich oben. An der Hand ist sie jedenfalls nicht. Die Hand zittert. Vielleicht ist es auch Tag. Im Stiegenhaus brennt jedenfalls Licht. Aber das tut es meistens. Ich bin ja der einzige, der es ausschaltet.

 

Auf der Stiege ist der Müll. Mir ist schwindlig, aber das mit dem Müll ist normal. Das ist immer so. Als ob sie es extra machen würden. Tausendmal hab ich das schon gesagt. Die Augen auf. Nicht schlafen. Hast du eh schon. Wach. Anrufen muss ich. Ich muss hinuntergehen und anrufen. Wenn es Nacht ist, kann ich nicht runtergehen und anrufen. Dann wacht die Krätzn auf, und es gibt wieder einen riesen Wirbel. Die weckt wieder alle auf. Ich weiß nicht, ob es Nacht ist. Das Handy liegt oben. In der Küche wahrscheinlich. Ich leg es immer in die Küche, wenn ich heimkomm. Hinauf kann ich auch nicht.

 

Ausgewaschene Joghurtbecher. Unmengen von ausgewaschenen Joghurtbechern. Wer die alle isst. Wenn ich einmal eins haben will, ist nie eins da. Die sind immer alle weg. Ausgewaschene Joghurtbecher. Die brauchen wir nicht auswaschen, hab ich gesagt, die werden verheizt. Da ist es egal, ob sie ausgewaschen sind. Ich weiß doch, dass die verheizt werden. Ich fahr ja jeden Tag vorbei. Große Würfel aus Plastikmüll. Die werden da gesammelt. Und dann kommen sie weg ins Fernheizwerk. Fernwärme. Plastikmüll. Da verbrauch ich doch kein Trinkwasser zum Auswaschen. Ich spinn doch nicht.

 

Sicher bin ich spät nach Hause gekommen. Betrunken war ich auch. Aber ich war leise. Ich bin immer leise. Und wieso soll ich mich nicht betrinken. Ist immer noch besser als die ewige Streiterei. Da kommt eh nichts heraus. Das geht nur immer so dahin. Damit man ja keine Freude hat am Leben. Monate geht das schon. Seit wir da sind. Alles halt ich auch nicht aus. Feigling. Die müssen mich nicht Feigling nennen. Vor allen Leuten. Geh ich halt trinken. Deswegen muss man nicht so einen Wirbel machen, wenn ich dann heimkomm. Ich war eh leise. Hab mich ins Wohnzimmer gelegt. Wohnzimmer. Zwölf Quadratmeter. Couch, Tisch, Kasten, Fernseher.

 

Hätt sie mich schlafen lassen. Aber nein. Aufwecken, herumschreien. Die ist ja auch nicht ganz nüchtern, denk ich. Die sauft ja sonst nie. Die Kinder, sag ich noch. Aber das war ihr schon egal, die hätt die ganze Siedlung aufgeweckt. Nur wegen der Krätzn. Die hat sie wieder die ganze Nacht aufgehusst. Also bin ich in die Küche. Sie mir nach. Natürlich. Kann ja keine Ruh sein. Streiten. Ich wieder ins Wohnzimmer und leg mich wieder hin. Sie schimpft herum. Bis die Kinder wach geworden sind. Das hab ich hören können. Dann geht sie endlich. Endlich Ruhe.

 

Jetzt sitz ich da auf der Stiege. Immer noch. Vorne rinnt es raus. Der Bauch tut weh. Ich muss anrufen. Es muss gleich hell werden. Nicht einschlafen. Warum soll ich einschlafen. Ich hab ja schon geschlafen. Wenn sie nur nicht immer so schimpfen tät. Ich kann das nicht aushalten. Immer die ganze Arbeit. Und dann schimpft sie auch noch immer. Und die Krätzn immer fleißig dabei. Die braucht nur was hören unten, schon ist sie da. Kommt einfach rein. Anklopfen tut die nicht. In meinem Haus, sagt sie, werd ich sicher nicht anklopfen. Da geh ich hin, wo ich will. Und ich, sag ich dann, ich zahl dann auch, was ich will. Ist wenig genug, sagt sie, brauchst dich gar nicht aufpudln. Schau dich um, was eine Wohnung kostet. So geht das hin und hin. Und sie gibt ihr wieder Recht. Immer gibt sie ihr Recht. Die kann sagen, was sie will, den größten Blödsinn kann die daherbrabbeln, aber sie gibt ihr Recht.

 

Nichts wie weg, denk ich mir. Das hält ja keine Sau aus. Wieder saufen. Ich will ja gar nicht saufen. Das geht ja auch nicht, dauernd saufen. Das haltest du ja gar nicht aus. Die Kinder tun mir leid. Die haben gar nichts mehr. Ständig Ärger, ständig Krawall. Aber was soll ich machen. Ich halte das nicht aus. Was ich tu, das sieht ja keiner. Keine Dankbarkeit. Ich arbeite mir den Buckel krumm, aber das ist wurscht. Und die Krätzn hängt die ganze Zeit bei uns herum und macht alles schlecht. Sogar die Kinder macht sie schlecht. Und dann wieder die Wohnung. Zu wenig Miete. Schau dich um, sagt sie. Als ob sie´s notwendig hätte. Seit zwanzig Jahren in Pension. Die hat ihren Mann ins Grab gebracht. Von der Pension hat der nichts gehabt. Der ist gleich verreckt. Die wird ewig leben. Hat ja auch nie was gearbeitet. Vom Nichtstun direkt in die Pension.

 

Ihn hab ich nie kennen gelernt. Die Nachbarn sagen, das war ein netter Mensch. Und fleißig. Die Alten sagen das, die Jungen kennen ihn nicht mehr. Und hinter der Hand sagen sie auch, dass sie ihn ins Grab gebracht hat. Mit nichts zufrieden. Den ganzen Tag herummaulen. Das haltet niemand aus. Ich weiß das. Mir gehts genauso. Es ist ja kein Wunder, dass einem der Kragen platzt. Obwohl die Nachbarn sagen, er war ganz ein ruhiger. Und nett. Mir platzt schon manchmal der Kragen. Aber richtig laut bin ich nie. Und bei den Kindern schon gar nicht. Das geht nicht. Die Kinder können nichts dafür. Das geht auf keinen Fall.

 

Kalt ist mir. Es hört nicht auf zu rinnen. Ich muss was tun, das ist ernst. Aber das schaff ich schon, da brauch ich niemanden dazu. Die Augen auf. Aufstehen. Aufpassen, dass ich nicht die Stiege runter fall. Schwindlig. Es geht nicht. Hinsetzen. Nicht schnell bewegen. Es tut weh. Die Hand draufhalten, das blutet richtig. Wieso bin ich auf der Stiege. Der Hund. Normal bellt der ja wie verrückt, wenn sich im Stiegenhaus was rührt. Der weckt immer alles auf. Wegen jedem Mausfurz bellt der die halbe Nacht. Jetzt ist er ruhig.

 

Sicher ist der ruhig. Dem hab ich ja den Schädel eingetreten, wie ich heimgekommen bin. Da hat das ganze Bier nichts genutzt, wie der zum Bellen angefangen hat. Der Zorn. Alles geht auch nicht. Alles lass ich mir auch nicht gefallen. Da fängt der zum Bellen an. Mehr hast du nicht gebraucht. Ich bin kein Feigling. Jetzt liegt er draußen. Endlich hab ich das gemacht. Das war schon lange fällig. Da wird sie schaun, wenn sie dann rausgeht in der Früh, die Krätzn. Kann sie schon schaun. Die wird noch mehr schaun, wenn sie endlich aufwacht. Die ist sicher schon wach. Aber heraus traut sie sich nicht. Wer ist da der Feigling.

 

Jetzt weiß ich es. Kalt ist mir. Hinlegen auf die Stiege, Papier unter den Kopf. Vorne auch. Vorne Papier draufhalten. Dann rinnt es weniger. Jetzt weiß ich es wieder. Hinauf bin ich, leg mich ins Wohnzimmer. Ausnahmsweise bin ich nicht über den ganzen Dreck im Stiegenhaus geflogen, ich hab keinen Lärm gemacht. Trotzdem ist sie gleich da gestanden. Die hat auf mich gewartet, das hab ich gleich gewusst. Nur damit keine Ruh ist. Gesoffen hat die, denk ich. Das macht sie doch sonst nicht, denk ich. Hat sie die Krätzn aufgehusst. Sie soll mich schlafen lassen. Aber sie steht da und schaut mich an. Da wär ich fast eingeschlafen, betrunken, wie ich bin. Dann fängt sie an. Ich lass sie reden, trotzdem wird sie immer lauter. Schreit herum. Ich hör die Kinder drüben. Also steh ich auf und geh in die Küche. Ich mach die Tür zu.

 

Es nützt nichts, sie mir nach. Ich setz mich hin in der Küche, fängt sie wieder an mit Feigling. Besoffen soll man nicht streiten. Außerdem bin ich viel zu müde. Ich steh auf und geh auf sie zu. Da hat sie das Messer in der Hand. Dann hab ich das Messer im Bauch. Keine Ahnung, wie das gegangen ist. Hat sie mir das Messer in den Bauch gestochen, oder bin ich einfach nicht stehen geblieben. Ich steh da mit dem Messer im Bauch. Erst hat es gar nicht weh getan. Gut geschliffen, denk ich noch. Sie steht da und schaut mich an. Da hätte ich was sagen sollen. Müssen. Aber es ist nicht gegangen. Ihre Augen sind immer größer geworden. Und dann schreit sie. Das hätte sie nicht tun sollen, die Kinder. Aber das Schreien. Das Messer aus dem Bauch. Das hat schon weh getan. Dann ist alles schnell gegangen. Dann war es ruhig.

 

Im Wohnzimmer bin ich aufgewacht. Im Kopf ist es laut. Das Schreien. Was ich geträumt hab. Ich greif mir auf den Bauch, der tut weh. Es ist alles voller Blut. Das hab ich nicht geträumt. Das ist kein Traum. Ich geh hinüber in die Küche. Da liegt sie. Laut im Kopf. Es muss ruhig sein. Das schaut nicht gut aus. Alles voller Blut. Die ist sicher tot. Das Messer liegt am Tisch. Ich bin nicht betrunken. Ich bin ganz ruhig. Ich muss nachdenken. Es ist laut im Kopf. Es muss alles ruhig sein. Alles muss ruhig sein. Ich nehm das Messer. Ich geh die Kinder beruhigen.

 

Augen auf. Wach bleiben. Kein Laut. Im ganzen Haus nichts zu hören. Kalt ist mir. Das ist normal, wenn das ganze Blut rausrinnt, das weiß ich jetzt. Jetzt weiß ich es wieder. Keine Sorge, jetzt ist es ruhig. Das ist gut. Ruhig ist es. Die Augen zu. Sehen brauch ich das nicht, wie ich da lieg im ganzen Dreck, im Blut. Im Stiegenhaus. Wenigstens kein Biomüll. Der ist oben. Unter der Abwasch. Den trag ich nicht hinunter. Den trag ich sicher nicht mehr runter. Das Blut rinnt. Da kann sie schaun, wie sie das wieder weg kriegt. Augen zu. Anrufen brauch ich nicht, das zahlt sich nicht mehr aus. Für mich nicht. Das kann die Krätzn machen. Wenn sie sich heraus traut. Feigling sagt die.

⇑ zum Seitenanfang