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baugrund I

erschienen auf www.gat.st, August 2009

 

Mein Bürgermeister ist ein Stingl. Eigentlich ist er mein Altbürgermeister, weil wir ja schon lange einen neuen haben. Aber ein Stingl ist er schon. Der Neubürgermeister wiederum ist quasi auch ein Altbürgermeister, weil er ja schon so lange bürgermeistert. Der Neubürgermeister, also der Quasi-Altbürgermeister, ist allerdings ein Nagl.

 

Mein Stingl, also der Alt-Altbürgermeister, hat gern gebaut. Und hergerichtet. Das war ein recht geschicktes Konzept für einen Sozialisten, weil es den Sozialisten ja immer um die Arbeit geht. Und wenn es um die Arbeit geht, dann wird gebaut. Das kennen wir ja von daheim: wenn wir nichts zu tun haben, bauen wir ein Regal, damit wir uns nicht mehr zum Bücherstapel auf dem Boden bücken müssen. Weil wir da dann die Bücher hineinstellen können ins Regal. Und im Stehen hinlangen. Oder wir bauen ein Nachtkastel, wo wir das Buch drauflegen. Wenn wir da dann im Liegen hinlangen, erwischen wir allerdings das Fernsehprogramm. Oder die Zeitung, die auf dem Buch liegt. Oder den Katalog vom Schweden, dem sein Nachtkastel wir zusammengebaut haben. Das ist so.

 

Sozialistisch gesehen ist das Bauen von Regalen oder Nachtkasteln Konzeptarbeit. Was, wiederum sozialistisch gesehen, nichts anderes heißt, als das Konzept abzuarbeiten. Was nichts anderes als Bauen bedeutet. Also Arbeit.

 

Sozialdemokratisch gesehen ist das sozialistische Konzept von der Arbeit nicht haltbar, weil es in der Demokratie ja einen Gewinner geben muss. Auch wenn die Demokratie sozial ist. Wenn aber jetzt beim Bauen nur jeder seinen Lohn bekommt, gibt es keinen Gewinner. Außer den Staat, weil der ja Steuern bekommt. Aber wenn wir Steuern als Gewinn betrachten, können wir gleich alles privatisieren. Deswegen ist es nicht erlaubt, Steuern als Gewinn zu betrachten. Und wegen der Politik, weil wir die dann nicht mehr brauchen täten. Und das ist ja kein Konzept, ohne Politik.

 

Sozialdemokratisch gesehen kommt man also mit dem sozialistischen Konzept von der Arbeit, was Bauen heißt und Lohn bedeutet, nicht weit. Weil es undemokratisch ist. Und unwirtschaftlich. Weil es keinen Gewinner gibt. Und keinen Gewinn. Diese Erkenntnis war ein großer Schritt nach vorne. Und von da weg war es nur mehr ein kleiner Schritt vom sozialistischen zum sozialdemokratischen Konzept von der Arbeit.

 

Jetzt haben wir endlich bauen können, was nichts anderes als Arbeit heißt und Lohn bedeutet, aber mit Gewinn. Auch, wenn wir den von den Steuern haben zahlen müssen. Das ist aber egal, weil, wenn die Politik was baut oder herrichtet, müssen wir das immer von den Steuern zahlen. Und da kann dann ruhig ein Gewinn auch dabei sein, weil mit Gewinn sowieso alles besser ist.

 

Wenn wir das Gebaute manchmal selber auch nicht brauchen können, ist es dennoch demokratisch. Weil, irgendwer muss es ja brauchen können, sonst hätten wir es nicht gebaut. Das mit dem Brauchenkönnen vom Gebauten muss man daher ausschließlich demokratisch sehen, da steht dem Einzelnen kein Urteil zu. Und keine Wahl. Und das ist gut so. Weil, wenn der Einzelne entscheidet, steht es schlecht ums Land.

 

Da hätten wir, weil wir vom Bauen reden, von der Tiefebene bis auf die Alm hinauf, lauter Einfamilienhäuser. Oder eine Villa. Und zu jedem Klo eine Autobahn. Weil der Einzelne das braucht. Aber keine Oper. Und kein Museum. Weil das der Einzelne nicht braucht. Weil der Einzelne nicht alleine in der Oper sitzt, während sich im Orchestergraben und auf der Bühne eine Hundertschaft um seine Kultur bemüht. Da braucht es viele. Und das kann der Einzelne nie entscheiden, dass er dann Besuch bekommt vom Ausland oder den Verwandten und dann doch eine Oper zum Hingehen brauchen täte, und dann ist keine Oper da. Das weiß er vorher nicht. Mit dem Museum ist es ähnlich. Und mit der Kunst sowieso.

 

Das ist das Schöne am sozialdemokratischen Konzept von der Arbeit: sozial ist es, weil gebaut wird, was Lohn bedeutet und Gewinn. Und demokratisch ist es, weil es uns allen besser geht, wenn es dem Einzelnen gut geht, weil gebaut wird. Weil, ohne Arbeit kann der Mensch nicht sein. Und den Mehrwert vom Gebauten haben wir noch dazu, obwohl der Einzelne das vorher gar nicht weiß.

 

Weil jetzt aber neue Zeiten sind, ist das sozialistische Konzept von der Arbeit alt. Und das sozialdemokratische Konzept von der Arbeit, kurz: Bauen mit Gewinn, ist auch nicht neuer. Außerdem haben wir jetzt eine Wirtschaft, und da braucht es neue Konzepte für die neuen Zeiten. Weil du mit alten Hüten keine neuen Köpfe fängst. Und neue Köpfe braucht das Land. Aber da haben wir das nächste Mal noch Zeit.

 

Stadtparkbrunnen | Rostiger Nagl
Vorrangig ist heute ein sicherer Arbeitsplatz. Ein Job, der Zukunft hat und genügend Einkommen bringt, um das Leben mit all seinen Herausforderungen meistern zu können. Ich sehe es in Zeiten der schlechten Weltwirtschaftslage als meine größte Herausforderung an, dafür zu sorgen, dass so viele Menschen wie nur irgend möglich eine fundierte Ausbildung erhalten um sich so für einen guten Arbeitsplatz zu qualifizieren. Und dass jene, die keinen Arbeitsplatz haben, so rasch wie möglich einen bekommen. Darum schaffen wir für diese Stadt die Arbeitsplätze der Zukunft!
(Bild: OFFSITE GRAZ, Text: Michael Häupl)

 

Die Arbeit der Nacht
Es ist bereits strittig, ob man zielgerichtete körperliche Anstrengung von Tieren (z. B. den instinktiven Nestbau oder das andressierte Ziehen eines Pfluges) als "Arbeit" bezeichnen kann. Die "Philosophische Anthropologie" geht zumeist davon aus, dass "Arbeit" erst im Tier-Mensch-Übergangsfeld erscheint (…). Dabei wird meist angenommen, dass die Resultate menschlicher Arbeit (als "Gegenstände") wie in einem Spiegel dem Menschen sich selber zeigen, so dass er angesichts ihrer des Selbstbewusstseins mächtig wird.
(Bild: A. Pall, Text: Wikipedia)

 

Früh übt
Wo immer ein Arbeiter im Straßenverkehr seinen Hammer schwingt, Pflastersteine neuordnet, presslufthämmert, Rohre verlegt oder teert: Hier arbeitet ein Mensch und verbessert / verschönert unsre Infrastruktur. Ich freu mich über jeden, der sich hier für uns durch den Sommer schwitzt. Arbeitslose sind leise, sie kosten uns alle aber langfristig mehr. Sie kosten mehr als AMS-Geld. Sie werden öfter krank, und es kostet sie und uns oft Jahre, sie wieder zu aktivieren
(Bild: Lego, Text: stimulus package)

 

Wir nennen es Arbeit
Vater George Jetson musste in einer amerikanischen SF-Zeichentrickfilmserie der siebziger Jahre nur neun Stunden pro Woche arbeiten. Was sich heute als eine eher anekdotische Anmerkung darstellt, ist ein Beispiel für die damalige von vielen auch ernsthafteren Zukunftsfiktionen geweckte Hoffnung auf ein Fortschrittsversprechen: Der Mensch werde sich mit seinen Hilfsmitteln von Arbeit befreien und dabei an Lebensqualität gewinnen. Was damals Hoffnung war, scheint heute eher als Bedrohung gesehen zu werden.
(Bild: www.nachhaltigkeitsblog.de/bcher/, Text: Wikipedia)

 

Kunstbaustelle
Entfremdete Arbeit bedeutet, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Menschen in der Produktion ihres Lebens eingehen, obwohl von den Menschen selbst geschaffen, ihnen als eine fremde Macht gegenübertreten, über die nicht mehr sie selbst verfügen, sondern vielmehr die Verhältnisse über sie.
(Bild: Karl Forster, Text: Wikipedia)

 

Die Arbeit der Nacht II
Von der Antike bis ins Mittelalter galt: Nur wer sich alltäglichen Mühen und Arbeitszwängen entzieht, hat Zeit, seinen Bedürfnissen zu frönen, und den Kopf frei für neue Erkenntnisse und kreatives Handeln. Diese Auffassung ist heute noch unter dem Aspekt nachvollziehbar, dass unter Zwang die hinreichende Kreativität und der Bedürfnisbezug der Arbeit verloren gehen.
(Bild: A. Pall, Text: Wikipedia)

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