projekte ⇒ modell

modell

Werkstadt Graz / 2000 

01

 

1.0

[...] erzeugt der Output von Maschinen keine neue Wirklichkeit, sondern verdichtet vielmehr die virtuelle Realität zu Masse. Je weniger ungedachte Natur also, desto mehr leben wir in der Annahme, im Modell dieses Universums.

 

 02

 

1.0.1 ASPEKTE / ORTUNG

 

KünstlerInnen als künstliche Personen sind in der Praxis das Konstrukt der ihnen oktroyierten Interpretation; sie tragen die Freiheit der InterpretatorInnen. KünstlerInnen als tatsächliche Personen unterliegen der Übereinkunft, Masse zu generieren und damit der vorliegenden Mechanik nach der Beliebigkeit anheim zu fallen; sie "schaffen" die "Kunst", die als Eigentum (im Eigentlichen: Eigentümlichkeit) der Vergesellschafter/Gesellschaft gilt.

 

Da sich daraus eine seltsame äussere Zusammenführung von Kunst und KünstlerInnen ergibt und dies als Eigentliches (= Interpretationsderivat) als Vereinigung von Form (Masse) und Inhalt (Interpretation) erst gesellschafts- und damit marktfähig wird, erscheint die Kunst der Vergesellschafter/Gesellschaft. Die Masse als künstlerischer Auswurf der tatsächlichen Personen ist also nichts anderes als das Ergebnis der inneren Trennung von Kunst zur äusseren Vereinigung zu Kunst. So wird die Kunst einschliesslich der KünstlerInnen als künstliche Personen als Derivat der Interpretation und gleichzeitig als monetäres Ersatzkonstrukt der Freiheit der InterpretatorInnen handelbar.

 

Aus dem marktwirtschaftlich orientierten Übereinkommen der Vergesellschafter/Gesellschaft, durch diese Mechanik den tatsächlichen Personen erst den weiteren Auswurf von Kunst zu ermöglichen, ergibt sich der Zwang, durch den ständigen Auswurf von Kunst die Dokumentation als künstliche Personen zu manifestieren. KünstlerInnen sind also nicht das Werk der Kunst, wie eben auch Kunst nicht das Werk der KünstlerInnen ist, sie obliegen dem "handeln" der Vergesellschafter/Gesellschaft.

 

Im Sinne einer "wertfreien" Kunst können damit sowohl das monetäre Ersatzkonstrukt als auch die Interpretationsderivate, so sie nicht neuerlich Masse generieren, nach der vorliegenden Mechanik als wertlos angesehen werden, obwohl sie das eigentliche Handelsobjekt darstellen. Liegt der Wert also bei der Masse, dem Auswurf, als originärer "Wertschöpfung", kann das tatsächliche Eigentum wohl nur den tatsächlichen Personen als deren Generatoren zugemessen werden. Unabhängig vom tatsächlichen Besitz ergibt sich also ein tatsächlicher Eigentumsvorbehalt zugunsten der tatsächlichen Personen.

 

Wie die Vergesellschaftung von Kunst diesen tatsächlichen Eigentumsvorbehalt regelt, erklärt sich zum einen aus der Betrachtung der Interpretationsderivate als Sache, als Erhebung zu eigener generierter Masse, die dem Auswurf eingegliedert wird, zum anderen in der allgemeinen Anerkennung des monetären Ersatzkonstruktes als Interpretationsderivat aus dem Begriff "Kapital". Die gesellschaftliche Anerkennung des Eigentumsvorbehaltes der tatsächlichen Person wird also eigentlich als Sachwalterschaft an den Interpretationsderivaten, einer rekonstruierenden Aufsicht, verstanden und nicht als reale Anerkennung eines tatsächlichen Anspruchs. Da erst mit dem Zufluss von "Kapital" die generierte Masse zum Interpretationsderivat und gleichzeitig monetären Ersatzkonstrukt, dem Handelsobjekt, wird, leitet der Vergesellschafter/die Gesellschaft daher auch die Vereinnahmung als Eigentum ab, er (sie) sieht sich als eigentlicher "Schöpfer" von "Kunst"

 

03

 

1.0.2 MODELL GRUNDRISS / AUFNAHME

 

Die/Eine WerkSTADT als Ort einer sich in Bewegung befindlichen Expression lässt sich in der Aufnahme der Gesamtarchitektur sowohl inhaltlicher als auch geographischer Zuweisung als Ausgangsort, Zielort und als Durchgangsfläche definieren.

 

Diese Darstellung folgt einer modularen Erfassung der Bewegungsschemata und gegliederter Raumstrukturen als Teilarchitekturen und schafft damit die Modelle zur Entlokalisierung.

 

Der Einsatz der als Einzelmodule definierten Teilarchitekturen an beliebigen, verschiedenen Standorten definiert die Korrespondenz zwischen den einzelnen Modulen neu. Aus der Neuorientierung der Module in der Geographie ergibt sich demgemäss auch eine Neudarstellung des Architekturverbundes WerkSTADT als entlokalisierte Verortung.

 

04

 

1.0.3 MODELL EINER AUSSTELLUNG

 

"Der Gedanke, dem gesammelten Werk eines Künstlers/einer Künstlerin durch die Beigabe von Dingen des persönlichen Gebrauchs, Erinnerungsstücken etc. das Leben einhauchen zu wollen, das die ausgestellte Person geführt haben mag, ist natürlich schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt."

 

Lässt sich bei einem unvollständigen Überblick das Fehlende, die tatsächliche Person, durch die Ahnung, das Ausfüllen der Lücken durch Vorstellungskraft, ergänzen und damit ein zwar beliebiges, darin jedoch vollständiges Bild erstellen, wird mit zunehmender Fülle der Details der Interpretation der Materie, der Sache und Sachwerte, der Weg bereitet. Ist die Dokumentation "vollständig", wissen wir zwar alles über, hingegen nichts vom Künstler/der Künstlerin.

 

"Um das gewünschte Ergebnis zu erhalten, wird in der Interpretation der persönliche mit dem künstlerischen Lebenslauf verschmolzen: es erscheint der Künstler/die Künstlerin, eine künstliche Person, die als wiederbefüllbares Gefäss jeglicher Art von Inhalt ausgesetzt werden kann und in den verschiedenen Zeiten als historische Selbstreflexion auch wird. Diesem Hang zur historischen Beliebigkeit ist der Künstler/die Künstlerin als tatsächliche Person ausgeliefert."

 

Ausgestellt ist ein fiktiver künstlerischer Lebenslauf, womit eine tatsächliche (der/die Ausstellende) zur künstlichen Person (der/die Ausgestellte) wird. In Entwürfen, Dokumenten, Modellen etc. entsteht das Bild eines Künstlers/einer Künstlerin, der/die real nicht existiert, dessen/deren Abbild durch seine/ihre Ausstellung jedoch veräusserbar wird.

 

Durch die Wegnahme von Bildteilen (Veräusserung von Exponaten) wird die künstliche (ausgestellte) Person zu einer tatsächlichen, die sich von der am Ausgangspunkt befindlichen durch das Weggeben von veräusserbarer (veräusserlicher) Identität unterscheidet; sie existiert gewissermassen als Teil und als Ganzes als Modell für eine Wirklichkeit, deren Bestand allein durch das Prozedere definiert ist.

 

Die Bildteile (Exponate) erheben für sich selbst keinen künstlerischen Anspruch, sie finden sich als Teil des Ganzen, als reziproker Anteil. Weggegebene Bildteile werden durch Kopien ersetzt. Diese sind nicht veräusserbar, sie bilden die neuen Bildteile bei der Umwandlung des ideellen zum materiellen Modell, die Idee vom Modell wird zum tatsächlichen Modell, zum Original.

 

05

 

1.0.4 TEMPORÄRE AUSSTELLUNG / ARCHIV

 

Korrespondierend zu den vorhergehenden Aspekten von Person/lokal/translokal wird in 1.0.4 Temporäre Ausstellung/Archiv die Entortung ins Netz (Internet) vollzogen.

 

a) Findet im Aufbau der Teilarchitekturen der/einer WerkSTADT an verschiedenen, beliebigen Standorten eine Neuorientierung der Korrespondenz der Einzelarchitekturen statt, wird hier eine Entortung ins Netz vollzogen, die durch die ständige Abrufbarkeit das Modell der/einer WerkSTADT an verschiedenen, beliebigen und in der Anzahl unbegrenzten Orten neu erschaffen.

 

b) Der Bewegungsraum, eingegrenzt durch die Geographie/Örtlichkeit, öffnet sich durch die Minimierung des Massstabs auf den des Netzes in die Bewegungsfreiheit des Zwischenraums. Die daraus resultierende translokale Verortung des Prozesses der Veränderung ermöglicht die Potenzierung in die Zahllosigkeit – virtuelle, bearbeitbare Wirklichkeit mündet in ihrer Anzahl nach in unbegrenzte virtuelle Realitäten, die durch den Vergleich in der homologen Ebene als Original/Modell rezipierbar werden.

 

In der quasi archivarischen Arbeit zum Bestand der/einer WerkSTADT als Aufnahme der Gesamtarchitektur wird, korrespondierend zu 1.0.1 Aspekte/Ortung, das zur Schaffung von Masse benötigte Ausgangsmaterial generiert. Die erhobenen Teilarchitekturen – die Vielfalt des Individuums in der Anzahl der Individuen entsprechend der Summenbildung der Einzelmassen zu Gesamtmasse – folgen der Mechanik zur Neubildung von Masse (hier: zum Gesamtkunstwerk) und leiten demgemäss auch den Anspruch der Vergesellschafter/Gesellschaft auf Eigentum ab – das Kunstmaterial der tatsächlichen/künstlichen Person wird zum Spielmaterial der Vergesellschafter/Gesellschaft, die rekonstruierende Aufsicht zur enteignenden Absicht.

 

06

 

⇑ zum Seitenanfang