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... der radio-oper

Studio RP 4 - ORF Wien
ORF Funkhaus Wien - Studio RP4
Foto: 2009 by Josef Klammer

30. Mai 2010, 23:03 bis 23:45 Uhr (CEST) listen to auf ORF | Ö1 | Kunstradio

 

von Heimo Puschnigg, Josef Klammer und Albert Pall
Barbara Pöltl (Sopran)
Josef Willhelm Pepper (Bass)
Heimo Puschnigg (Klavier, Komposition, Schnitt)
Josef Klammer (Schlagwerk, Electronics, Komposition, Schnitt)
Albert Pall (Text)
Norbert Stadlhofer (Aufnahme)

 

"In die Oper geht man. Ins Radio nicht. Obwohl die Oper aus dem Radio herauskommt. Wie es ist, wenn die Oper ins Radio geht, obwohl sie gerade aus dem Radio herauskommt, weiß man nicht. Aber zum Hören geht es schon."

 

Das Hörspiel „… der Radio-Oper“ ist eine szenisch-dramatische und musikalisch-literarische Auseinandersetzung mit dem Medium Radio und dem Entstehungsprozess dieser Radiooper. Die gesamte Studiotechnik, wie Mikrophone, Kabel, Regieplatz, Kontrollleuchten sowie alle beteiligten Personen und technischen Einrichtungen, die für den Weg des Signals vom Sender bis zum Empfänger erforderlich sind, werden zur Bühne und zum Ensemble der Radio-Oper.

 

Auf dieser Bühne verweben sich die drei Ebenen Text, Musik und Gesang, Athmos und Bruitage.

Aufgenommen im großen Studio des ORF Landesstudio Steiermark.

Elektronische Sounds generiert und moduliert unter Verwendung von Original-Klängen und Geräuschen aus dem Hörspielstudio RP4 | ORF-Funkhaus Wien.

mit freundlicher Unterstützung von: ORF | Ö1 | Kunstradio, ORF | Landesstudio Steiermark, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Abteilung Literatur; Kulturabteilung des Landes Steiermark und Kulturabteilung der Stadt Graz.

 

 

hinter der membran | vor dem vorhang (grand opening | betäubt)

 

hier muss ein großes sein, mein ich … aus meinem ich heraus …und vor den vorhang … und größer, weiter schallt es … ich ego stimme ich … ich … kling ich … wie kling ich herrlich, zu herrlich viel … gefühl, ich fühle … drücke alles raus … gepresst wie saft … unglaublich … unglaublich schöner … fühlen … pressen, schreien … alles fühlen

 

besser, höher, schöner, bass … zu schöner … schöner scheinen … schreien, bass … besttiefe … ich schalle … schallend … schallende person … ich … ich … ich … ich … membran beeindruckt, eingedrückt

 

und wieder ich … bloß bühne … alles ist bühne … radio sende ich-zeit … alles nichts … nur ich im licht … alles ich …alles licht … ich im licht … hinter der membran heraus

 

im äther ist der ton betäubt
da hört man nichts
da tut sich nichts
nichts klingt

 

im äther ist der ton betäubt
ein wunderschönes nichts
hier bricht der klang
nichts schwingt

 

durch den äther reitet der ton
klangheimlich
auf stillen wellen voran
hin zur membran

 

über den äther gleitet der ton
letztendlich
der ganzen welle entlang
vor den vorhang

 

dem morgen (guten tag | im schlafe | erwachen)

 

stell doch den wecker ab … zähneputzen ich … muss alltag jeden tag … und immer wieder … der morgen teilt das licht vom schatten … geh du zuerst ins bad … das essen frühstück … muss immer wieder … vergiss das heft nicht … und den tag

 

wenn am fernen horizont
die nacht verglimmt
und der tag erwacht
zum morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn die vögel tirilieren
oder sie zwitschern
und johlen
am morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn dem ersten dämmergrau
ein schatten entspringt
und der tag erwacht
zum morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn die müllmänner kommen
und sie poltern
und dröhnen
am morgen
mich stört das nicht
ich schlafe ich weiter

 

und jetzt kein fernsehn … habe ich vergessen … den termin … ich muss

 

die nachbarin auf
dem weg
nach der tür
eilends grüßen
und vorbei

 

und immer wieder … der zahn gebrochen aus dem kamm … auto, parkschein, schule …ich muss putzen … klo … muss immer wieder … jetzt aber schnell … vergiss die jause nicht

 

der postmann
auf dem weg
zur tür hinaus
eilends grüßen
und vorbei

 

und jetzt musik … geht alles leichter mit musik

 

wenn im jungen sonnenstrahl
das leuchten erklingt
und der tag erwacht
zum morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn meine blase sich leert
und ich presse
und stöhne
am morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn den üppigen schimmer
die farbe durchdringt
und der tag erwacht
zum morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn meine zähne sich putzen
und ich huste
und röchle
am morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

der hagebuttentee … ein frisches handtuch … morgen, arbeit, immer wieder muss ich … wo ist der autoschlüssel …beeil dich doch … ich find das buch nicht

 

wenn in der frühen glorie
die glocke mitschwingt
und der tag erwacht
zum morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn mein körper sich duscht
und ich schnaufe
und pruste
am morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn meine glieder sich schälen
in die schichten
der kleidung
am morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

wenn meine glieder sich quälen
in die schichten
der kleidung
am morgen
mich stört das nicht
ich schlafe weiter

 

immer zu spät … halt doch die klappe … halt du die klappe … selber

 

der nachbar
auf dem weg
vor der tür
eilends grüßen
und vorbei

 

mein maggi knorrt … der volle aschenbecher … und kaffee … muss kochen immer wieder … der abwasch macht sich nicht alleine … muss immer wieder

 

der busfahrer
auf dem weg
hinter die tür
eilends grüßen
und vorbei

 

wo kommt das loch her im pullover … ja, ich höre

 

der portier
auf dem weg
durch die tür
eilends grüßen
und vorbei

 

wer holt die kinder ab … ich hab vergessen … scheiß hagebuttentee … bin ich im radio … billig tanken muss ich … tanken, zahlen … das letzte weinglas, wieder abwasch

 

studio | leer (aquarium | studio | leer | alles ist da)

 

feuerfest im glas … nichts bleibt mehr wieder … schon wieder … körper kalt … keinkörper kalt schon wieder … nicht wärmewort … wie der zustand so … die seele tiefenbach … und flach im meer darunter … das wasser bremst das zwischen … gebremst, vergangen, fern und fremd … wo … tief

 

ein blanker stuhl
auf dem das niemand sitzt
ein blasses nichts
in einem menschenleeren raum
das tiefste dunkel
kauert in den ecken

 

ins glas zerdrückt … der zustand ist erstarrt … herausgenommen aus der welt … dann soll es enden … wann … die zeit … das nichts … das garnichts lehren … dem niemand … keinkind ist … sind keine kinder … lachen … ist nichts zu keiner zeit … öde leer liegt flach … und aus ist ende ... ich … bin niemand … mehr

 

alles ist da

 

jetzt alle:
am kabel hängt
zum kabel drängt
doch alles
danke

 

lob der arbeit (grand speech to the nation [jetzt sehe ich])

 

ich erwache und wende mich. der tote ungeist schwebt aus dem finstren schlafe hinter mich. ein schwarzer mantel, der mich umhüllt, der mich einschließt in die lebenslichtverdunkelung. nicht licht. nicht innen. ein schwarzer mantel, kalt. ich lege den mantel ab. ich erwache und wende mich zum licht. ich bin. jetzt bin ich. ich selbst bin ich.

 

ich stehe auf. ich stehe auf und sehe. jetzt seh ich selbst. triefende masken sehe ich, spiegeleier voller selbstmitleid. schwammig wabernd eitelkeit und blubbernd heuchelei. ich sehe enge stirne. ich. ich träger.
ich gesellschaft. in gesellschaft bin ich. ich komme zu mir. ich erkenne, ich bin selbst. ich stehe auf. ich
atme. tief atme ich. ich stehe auf und sehe. jetzt seh ich selbst.

 

ich erwache und wende mich. hinter mir im dunklen schlaf zerrinnt ein totes leben. ich tot. ich schwarzes
blut auf mein gesellschaftsherz. ich nichts. im garnichts bin ich hinter mir. ich muss erwachen. muss aus dem dunklen schlaf heraus in waches licht. ein ich muss ich. ein selbst. ich erwache und wende mich zum licht. ich bin. jetzt bin ich. ich selbst bin ich.

 

ich stehe auf. ich stehe auf und sehe. jetzt seh ich selbst. nackte dummheit sehe ich und opulente arroganz. egogeistesideologie umflirrt von irrsinnsflitter. ich sehe, ich gefäß. marktplatz bin ich im allotria. ware bin ich. groß bin ich und herrlichkeit. ich macht. ich komme zu mir. ich erkenne, ich bin selbst. ich stehe auf. ich atme. tief atme ich. ich stehe auf und sehe. jetzt seh ich selbst.

ich stehe auf und sehe. ich erwache und wende mich. ich stehe auf vom verordneten schlaf. ich erwache aus der gesellschaftsnacht und wende mich. ich atme tief. was ich bin ich war. ein selbst muss sein. ein licht. aus mir selbst entsteige ich in meine neue zeit.

 

ich erwache. ich stehe auf. ich wende mich. ich sehe selbst. mein leben.

 

zur nacht

 

jetzt ist es
es geht vorbei
der klang der töne
ungebrochen
zu dir hin

 

jetzt ist es
es geht vorbei
der klang der worte
losgesprochen
in den sinn.

 

jetzt ist es
endlich ist es

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