"Herr Pall on Tour", Foto: Sandra Ziagos
Beschissene Verhältnisse II *
Do, 5. April 2018, 19:00 Uhr
Ort: RHIZOM, Annenstraße 52, 8020 Graz
Albert Pall: "Beschissene Verhältnisse II"
Teil 1) "Eine kleine Polemik"
Das Geld, mit dem man Geldgeschäfte macht, existiert ja eigentlich gar nicht. Es steht nur in den Büchern. Deswegen heißt es auch Buchgeld. Es ist nur was zum Lesen.
Teil 2) "beschissene Verhältnisse - neu geladen"
Als Beispiel dafür, wie kapitalistische Stereotype vorprogrammiert und nachgespielt werden, benutzen wir selbstverständlich, weil ja programmiert, ein Computerspiel, in diesem Fall einen LKW-Simulator.
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Fr, 29. Juni 2018, 19:00 Uhr
Ort: RHIZOM, Annenstraße 52, 8020 Graz
e.d gfrerer: PLAFOND
Albert Pall: "Beschissene Verhältnisse II"
Teil 3) "Nur zum Vergleich:" Über das Leben mit Zahlen.
Intermezzo) "So geht Kohle!"
Teil 4) "Ihre Meinung bilden Sie Sich gefälligst selbst!" Über das Leben in der Blase.
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Mi, 11. Juli 2018, 19:00 Uhr
Ort: RHIZOM, Annenstraße 52, 8020 Graz
e.d gfrerer: PLAFOND / lebend.falle - RAUM: teil 2
Albert Pall: "Beschissene Verhältnisse II"
Teil 3) "Nur zum Vergleich:" Über das Leben mit Zahlen.
Intermezzo) "So geht Kohle!"
Teil 4) "Ihre Meinung bilden Sie Sich gefälligst selbst!" Über das Leben in der Blase.
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* frei nach: Albert Pall, "beschissene verhältnisse", malaktion / lesung, Juli 2006 bei rhizom.lebend.geschichte
im Rahmen der RHIZOM - Projektreihe "SdV - Die Schwerkraft der Verhältnisse“* (*Marianne Fritz) von März bis Juli 2018
Mit Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Graz, der Kulturabteilung des Landes Steiermark und des Bundeskanzleramts – Sektion 2 Kunst
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Willkommen zu "Beschissene Verhältnisse II" mit insgesamt vier Teilen, wir beginnen mit
Teil 1
"Eine kleine Polemik"
Anzunehmen wäre, dass eine Gesellschaft die Regeln für ihr Zusammenleben selbst bestimmt. Und das Instrument zur Regelfindung wäre Politik. Derzeit verhält es sich allerdings so, dass sich das Instrument zur Regelfindung, die Politik, zu einem Instrumentarium der Wirtschaft umstrukturiert.
Dies hat zur Folge, dass die Gesamtheit der Notwendigkeiten für ein gedeihliches Zusammenleben in einer Gesellschaft simplen Marktmechanismen unterworfen wird. Die Auswirkungen sind katastrophal: alles, was nicht zum weiteren Wachstum der Wirtschaft beitragen kann (weil es andere Zielsetzungen verfolgt), wird als obsolet betrachtet und kann daher, eben den Mechanismen des Marktes folgend, eingespart werden. Das frei werdende (Volks-)vermögen, der Realwirtschaft entzogen, wird zum Spielgeld auf den virtuellen Märkten.
Politik betreibt daher nicht nur die kalte Enteignung ihres Souveräns, sondern retourniert auch, mangels Vermögen, die soziale Verantwortung an den Auftraggeber, ohne einen Ausgleich dafür anzubieten. Mit dem (Tot-)Schlagwort "Eigenverantwortung" wird der Rückzug der Politik aus der Pflicht gegenüber der Gesellschaft gerechtfertigt.
Soweit die Prämisse zu "SVA - Social Venture Analysis", ein Projekt von RHIZOM im April / Mai 2014.
Heute, zehn Jahre nach dem Beginn der sogenannten Bankenkrise und vier Jahre nach dem Projekt SVA von RHIZOM, haben sich die Zustände für das „gemeine Volk“ nicht gebessert. Während im Jahr 2009, dem Jahr nach dem Bankencrash, das Vermögen der reichsten 10% der Weltbevölkerung um 2% gewachsen ist und heute nur mehr einem Prozent der Superreichen die Hälfte des Weltvermögens gehört, darf das „gemeine Volk“ noch immer die Verluste der unregulierten Spekulationswut der Veranlagungsspezialisten abtragen. Mit welcher Chuzpe die Bankrotteure den Zugriff aufs Volksvermögen rechtfertigen, möchte ich hier nur mit EINEM Zitat belegen. „Wenn jemand im Casino Haus und Hof verspielt, werden auch nicht die Nachbarn mitzahlen“, hat der damalige Bank Austria-Boss Willibald Cernko im Mai 2013 zur geplanten Fortführung der Bankenabgabe bemerkt. Heisst auf Deutsch eigentlich nichts anderes als: die Deppen, also wir, sollen zahlen. Solidarität geht anders, zumindest eine vorgeschobene. Weil wir ja selbstverständlich auch die Bankenabgabe zahlen. Die ist, neben vielem anderen, nur ein Posten in der Kalkulation.
Um was es wirklich ginge, wäre eine tatsächliche Beteiligung des Finanzsektors an den Staatshaushalten, sprich: Steuern auf Spekulationsgeschäfte. Und etwas, was sich Steuer nennen dürfte, auf die Gewinne von Grosskonzernen. Und Steuern auf Kapitalerträge, die nicht auf dem Sparbüchl liegen, da zahlen wir ja schon 25%. Und Steuern auf arbeitslos ererbtes Vermögen. Oder überhaupt eine Vermögenssteuer, die diesen Namen auch verdient. Diese Einnahmen täten wir dringend brauchen, um zumindest die dringendsten Bedürfnisse unserer Gesellschaften bezahlen zu können, bevor uns das ganze Ding wieder einmal um die Ohren fliegt. Was wir aber tatsächlich kriegen, sind Lug und Trug und Eitelkeit, die Zutaten für die Hungerspiele eines entfesselten Turbokapitalismus.
Im Jahr 2015 sind dann Gottseidank "die Flüchtlinge" gekommen. Dass die Zivilgesellschaft für die Versäumnisse und Unfähigkeit von Politik und Verwaltung bei der Bewältigung der Probleme eingesprungen ist, die waren nämlich heillos überfordert, spielt keine Rolle mehr. "Die Flüchtlinge" dürfen nämlich auch heute noch für alles herhalten, was eine selbstgefällige neoliberale Politikerkaste jeden Tag verbockt. "Die Flüchtlinge" sind schuld an den Problemen am Arbeitsmarkt. "Die Flüchtlinge" sind schuld daran, dass unsere Kinder nichts mehr lernen. "Die Flüchtlinge" sind schuld am Rechtsruck in der Gesellschaft. "Die Flüchtlinge" sind schuld an eh allem. "Die Flüchtlinge" sind aber besonders an einem schuld: nämlich, dass wir kein Geld mehr haben. Weil die so viel kosten.
Deshalb brauchen wir jetzt Studiengebühren, weil wir uns sonst das Studium nicht mehr leisten können. Wir brauchen keine Notstandshilfe mehr, weil es eh die bedarfsorientierte Mindestsicherung gibt. Von dieser Mindestsicherung sollten wir uns aber auch gleich eine private Altersvorsorge auf die Seite legen, weil da ja keine Pensionsversicherung dabei ist. Wir brauchen keine Ausbildungsprogramme für Arbeitslose, weil die ja eh keine Arbeit mehr finden. Und überhaupt brauchen wir keine Arbeitslosen mehr, weil die uns sowieso nur dauernd auf der Tasche liegen. Was die reinen Wirtschafter jetzt aber wieder anders sehen, weil Lohndumping ohne Arbeitslose geht ja gar nicht. Was wir schon brauchen, ist, dass die Leute jetzt zwölf Stunden am Tag arbeiten, damit was weitergeht. Wo die Wissenschaftler, die wir leider auch noch brauchen, obwohl wir nicht auf sie hören mögen, aber wieder sagen, dass nach sechs Stunden Arbeit nicht mehr wirklich was weitergeht. Is aber wurscht, weil, wenn das Produkt dann fehlerhaft ist, können wir uns beim Call-Center beschweren. Oder, wenns gar schief geht, sterben halt ein paar Leute. Wär ja nicht das erste Mal. Was wir dringend brauchen, ist eine Steuersenkung für Gutverdiener. Was wir noch dringender brauchen, ist eine Bevorzugung von Gutverdienern beim Kindergeld. Was wir aber ganz dringend brauchen, ist eine Wirtschaftsförderung für Grossunternehmen, damit die dann in der Bilanz was zum Lachen haben. Steuergeld als Bilanzgewinn, das muss dir einmal einfallen.
"Eine Kleine Polemik", Bild: Jutta Zniva
In dieser Welt, in der humanistische, oder neuerdings auch "europäische", Werte auf wirtschaftliche Kompatibilität dekonstruiert werden, in der also Zahlen mehr Bedeutung beigemessen wird als Menschen, und in der die dadurch finanziell und sozial diskriminierten Menschen öffentlich denunziert werden, in dieser Welt der sich selbst lobhudelnden kleinen Clique der sogenannten Ehrlichen, Fleissigen und Erfolgreichen also, spielen wir, die grosse Mehrheit, das Volk, keine Rolle. Wir stören nur bei dem, was in diesen wunderbaren Zeiten das Wichtigste ist: wir stören beim Geschäft.
Was wir aber aus der Geschichte gelernt haben, ist, dass du einem Geldvermögen noch mehr Geld vorne und hinten hineinstopfen kannst, es kommt einfach nichts mehr heraus. Ganz im Gegenteil: die kapitalistischen Konstruktionsparameter ständiges Wachstum und Zins und Zinseszins führen auch nach den einfachsten mathematischen Gesetzen regelmässig zur Implosion des Marktes, dem errechneten Vermögen kann kein realer Wert mehr gegenüberstehen, die Blase explodiert und erzeugt dabei allerdings reale Schulden, die nach neoliberaler Denke dann der Allgemeinheit überantwortet werden. Diese sehr verkürzte und polemische Darstellung ändert nichts an der Tatsache, dass sich Börsencrashs in unregelmässigen Abständen regelmässig wiederholen. Für die TeilnehmerInnen am Spiel geht es eigentlich nur darum, den Absprung aus dem Karussell rechtzeitig zu erwischen, um zu den GewinnerInnen zu gehören. Dieser Casino-Gedanke (siehe Zitat oben) ist also das eigentliche Grundgerüst unserer derzeitigen Welt- und Geldwirtschaft.
Würde man allerdings in Menschen investieren, würden die sogar mehr zurückzahlen, als man hineingesteckt hat. Da hätten alle was davon. Und dann würde es sogar der Wirtschaft gut gehen. Das ist allerdings linkslinkes Geschwätz. Und es ist eine "Hetze gegen die Reichen", wie Sebastian Kurz sich bei Sandra Maischberger in der ARD im Februar 2018 bitter beklagte.
Wenn sie für solche Dummheiten dann doch irgendwann einmal, wenn auch nur argumentativ, was auf die Fresse kriegen, dann zeigt sich das wahre Gesicht dieser neuen Weltenordner. Sie sind tief verletzt und beleidigt. Da rufen diese Slim-Bürger und Geldsäcke dann den Staat an um Sicherheit und Ordnung. Um das Recht auf ein Leben in Anstand und Würde. Nämlich um genau das, was sie allen anderen Menschen beim grössten legalen Raubzug der Menschheitsgeschichte ständig verwehren.
So weit, so unvollständig. Jetzt von der Praxis zur Theorie, also zu
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Mirko Maric (stehend), e.d gfrerer und Albert Pall
Bild: Jutta Zniva
Teil 2
"beschissene Verhältnisse - neu geladen"
Aus rechtlichen Gründen muss ich sie jetzt ersuchen, diese Räumlichkeiten als mein Wohnzimmer, also als Privatraum, zu betrachten. Und ich werde in meinem Wohnzimmer Zigaretten rauchen und Alkohol zu mir nehmen. Für Sie gilt das allgemeine Rauchverbot selbstverständlich weiter! Sollten sie das nicht akzeptieren können, ersuche ich sie, bevor sie gehen, an meiner kleinen Umfrage "SO GEHT KOHLE!" teilzunehmen. Nicht nachdenken, einfach A oder B auf einen Zettel schreiben und einwerfen. Die, die bleiben, dürfen selbstverständlich auch mitmachen.
Hier also das Intermezzo
"SO GEHT KOHLE!"
Sie sind in Ihrem Beruf extrem qualifiziert, deshalb macht Ihnen ein Unternehmen ein auf 26 Wochen befristetes Angebot und stellt Ihnen zwei Gehaltsvarianten zur Auswahl:
Angebot A: wöchentlich Euro 25.811,10 brutto
Angebot B: In der ersten Woche 1 Cent brutto bei wöchentlicher Verdoppelung
Bitte notieren Sie Ihre gewählte Gehaltsvariante und werfen Sie den Zettel in die Box.
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"beschissene Verhältnisse - neu geladen"
Als Beispiel dafür, wie kapitalistische Stereotype vorprogrammiert und nachgespielt werden, benutzen wir selbstverständlich, weil ja programmiert, ein Computerspiel, in diesem Fall einen LKW-Simulator. Bis zum 29. Juni 2018 werde ich zwei Arbeitsprofile von zwei LKW-Fahrerinnen spielen. Die erste Fahrerin wird eine Karriere als abhängig beschäftigte LKW-Fahrerin starten und dies bis zum Ende des Projektes fortführen. Die zweite Fahrerin wird die Möglichkeiten des Spieles nutzen, sich selbständig machen, Werkstätten und LKW`s dazu kaufen und Fahrerinnen und Fahrer einstellen, die für sie dann fahren und Geld verdienen werden. Beide Fahrerinnen haben gleich viel Zeit zur Verfügung, ihr Vermögen zu mehren.
Das Ergebnis der Umfrage "SO GEHT KOHLE" sowie das Endergebnis des Vergleichs, wie sich die beiden Arbeitsprofile, sprich: das Vermögen unserer beiden LKW-Fahrerinnen entwickelt hat, erfahren Sie hier am Freitag, den 29. Juni 2018 um 19:00 Uhr. Dazu gibts in Zusammenarbeit mit e.d. gfrerer eine Arbeit mit Zitaten und Internetverweisen, sozusagen "Die Wahrheit über das Internet". Ich möchte Sie dazu schon heute recht herzlich einladen.
Zum Spiel. Aller Anfang ist schwer, deshalb werde ich hier eine kurze Einführung machen. Danach können sie gerne selber probieren, eine Fracht unbeschädigt und ohne Strafen für Verkehrsübertretungen von A nach B zu bringen. Für Fragen stehe ich natürlich gerne zur Verfügung. Bitte keine Getränke oder Speisen auf diesem Tisch abstellen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und ich hol mir jetzt einmal was zum Trinken.
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"PLAFOND", Bild: Leo Kreisel Strausz
Fr, 29. Juni 2018, 19:00 Uhr
Ort: RHIZOM, Annenstraße 52, 8020 Graz
e.d gfrerer
die schwerkraft der*räumlich/materiellen* verhältnisse
analog dem skizzienhaften notieren von gedankengängen und raumeindrücken wird ein paar tage vor der ausstellungseröffnung *in situ*mit dem bauen begonnen. da wird etwas hingelehnt, dort die dimensionierung eines zugriffes probiert und es ist klar, daß permanente *geländeveränderungen* notwendig sind.
alles ist arbeit am RAUM.
ob es sich um das öffnen von einem fenster, eine raumplastik oder das aufmachen einer zwischendecke handelt, immer geht es um gewichtung von relationen und korrelationen der entstehenden teile zueinander. und es ist immer wieder spannend, in wieweit ausgangsvorstellungen in der realität *vor ort* halten, und in wechselwirkung von *umgebung und umgebenen* schlußendlich ihre position finden und für einen augenblick ruhe einkehrt - eine konstellation kommunizierender teile.
zum projekt:
eine *lebendfalle* für mäuse aus dem haushaltsgeschäft dient als vorlage für die übersetzung ins menschengroße. Im raumplastischen gefüge soll sie ihren platz finden.
PLAFOND
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Mi, 11. Juli 2018, 19:00 Uhr | Finissage
Ort: RHIZOM, Annenstraße 52, 8020 Graz
e.d gfrerer: PLAFOND / lebend.falle - RAUM: teil 2
die konstellation zu beginn der ausstellung war wesentlich geprägt durch den einsturz
einer stützkonstruktion.
nun werden blockierte wege freigeräumt und weitere verschiebungen vorgenommen.
bereits konzipierte aber erst aufgeführte teile kommen dazu ……..
………bis sie ihren genauen platz finden und ruhe einkehrt.
wege - um/wege
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Albert Pall: "Beschissene Verhältnisse II"
Teil 3
"Nur zum Vergleich:"
Über das Leben mit Zahlen.
Auch von dieser Stelle noch einmal ein herzliches Willkommen zum zweiten Abend von "Beschissene Verhältnisse II" mit den Teilen drei und vier und einem kleinen Intermezzo, das sich "So geht Kohle!" nennt. Guten Abend und herzlichen Dank für Ihr Kommen.
Hier also Teil 3 von "Beschissene Verhältnisse II" mit dem Titel "Nur zum Vergleich:", über das Leben mit Zahlen.
Sie erinnern sich: vor nunmehr auch schon 85 Tagen habe ich an dieser Stelle, nach einer einführenden kleinen Polemik über die katastrophal ungerechten Zu- und Umstände in Wirtschaft und Politik und der Welt überhaupt, eine Untersuchung angekündigt, inwieweit diese quasi vorprogrammierten kapitalistischen Stereotype sich in unserer Lebenswelt verankert haben. Für diese Untersuchung habe ich, weil eben programmiert, ein Computerspiel gewählt, das, wie die Wirklichkeit auch, die zwei grundlegenden Varianten für eine berufliche Karriere bietet, nämlich als abhängig beschäftigter Mensch für eine Unternehmerin oder einen Unternehmer zu arbeiten, oder eben selbst als Unternehmerin oder Unternehmer tätig zu sein.
Als geeignet erwiesen hat sich ein LKW-Simulator-Spiel, das beide Karrieremöglichkeiten anbietet. Die generierten Personen, Frau Johanna Arbeiter als angestellte LKW-Fahrerin und Frau von Zuh als Unternehmerin, haben sich also auf den Weg gemacht, in insgesamt 250 Stunden und drei Minuten, das ist die reine Fahrzeit, die in der wirklichen Welt vergangen ist, möglichst viel Geld zu verdienen. Die angeführten Einkommen erscheinen als exorbitant hoch, sind aber der Struktur des Spieles geschuldet, haben mit der Realität nichts zu tun und spielen für den Vergleich auch keine Rolle. Das Ergebnis war erwartbar, gibt uns aber dennoch einige Zahlen an die Hand, die den Unterschied in der (hier eben virtuellen) Realität klar darstellen. Oder, um es schön zu sagen: der Vergleich macht Sie sicher.
Hier also die Resultate der Erhebung, für den Vergleich wurden die Zahlen auf jeweils 125 Stunden bereinigt:
Frau Johanna Arbeiter hat als angestellte Fahrerin in 125 Stunden Echtzeit, also der Zeit, die in der realen Welt vergangen ist, (oder 2.495 Stunden und 25 Minuten Spielzeit, das ist die Zeit, die im Spiel gerechnet wird) bei einer Gesamtstrecke von 190.645,16 km 94,97 Frachten mit gesamt 868,77 Tonnen ausgeliefert und dabei 10.017.691,62 Euro verdient. Das macht pro gefahrenem Kilometer Euro 52,55, pro Tonne Euro 11.530,91 und pro Stunde Spielzeit Euro 4.014,43.
---> Fahrtenbuch Frau Johanna Arbeiter
Frau von Zuh hat als Unternehmerin in 125 Stunden Echtzeit (oder 4.943 Stunden und 31 Minuten Spielzeit) bei einer Gesamtstrecke von 177.379,35 km 73,99 Frachten mit gesamt 912,88 Tonnen ausgeliefert und dabei 8.620.193,64 Euro verdient. Dazu kommen, nach Abzug aller Ausgaben für den Ankauf von 455 LKW´s, 454 Garagenplätzen und der Vermittlungsgebühr für die Einstellung von 454 Fahrer*innen, den Ausgaben für Diesel, Maut, Fähren und Reparaturen in der Gesamthöhe von 72.815.159,31 Euro noch Einnahmen aus den Leistungen der Fahrer*innen in der Höhe von 146.686.186,84 Euro, was dann Gesamteinnahmen von 155.306.380,48 Euro ergibt.
Vergleich: Während Frau Johanna Arbeiter 100% ihres Verdienstes von 10.017.691,62 Euro selbst eingefahren hat, liegt beim Einkommen von Frau von Zuh in der Höhe von 155.306.380,48 Euro der Eigenleistungsanteil bei 3,78%. Durch die tatkräftige Mithilfe ihrer Mitarbeiter*innen hat Frau von Zuh dennoch das 15,5-fache dessen, was Frau Arbeiter verdient hat, eingenommen.
---> Vergleichstabelle Johanna Arbeiter / Frau von Zuh
Was hat dieser horrend zeitaufwendige Vergleich nun also gebracht? Im Wesentlichen nichts. Dass Unternehmerinnen und Unternehmer im Regelfall höhere Einkommen als abhängig Beschäftigte haben, ist bekannt. Dass das höhere Einkommen von Unternehmerinnen und Unternehmern mit der Risikoverteilung begründet wird, ist ebenfalls bekannt: wenn alles schiefgeht, verlieren abhängig Beschäftigte nur ihren Arbeitsplatz, Unternehmerinnen und Unternehmer aber ihre Existenz (so sie denn persönlich haften). Dass das höhere Einkommen von Unternehmerinnen und Unternehmern mit der höheren Arbeitsleistung zu tun haben soll, ist auch bekannt, das glaub ich aber, vor allem auch wegen der in letzter Zeit diskutierten Ausdehnung der Tagesarbeitszeit für abhängig Beschäftigte, nicht.
Wie Sie als abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin (oder eben Arbeitnehmer) dennoch viel Geld verdienen können, zeigt vielleicht dieses Beispiel. Wir kommen zum
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Intermezzo
"So geht Kohle!"
Vor nunmehr ebenfalls schon 85 Tagen habe ich Ihnen, da Sie in Ihrem Beruf extrem qualifiziert sind, ein auf 26 Wochen befristetes Arbeitsverhältnis mit zwei Gehaltsvarianten angeboten und Sie ersucht, sich für eine Gehaltsvariante zu entscheiden.
Angebot A: wöchentlich 25.811,10 Euro brutto
Angebot B: in der ersten Woche 1 Cent brutto bei wöchentlicher Verdoppelung
Ergebnis der Umfrage: teilgenommen haben 34 Personen, davon haben sich sieben (oder 20,59%) für Angebot A und 19 Personen (oder 55,88% für Angebot B entschieden. Die ganz Schlauen, vier Personen oder 11,76%, haben beide Varianten gewählt, warum, werden wir gleich sehen. Ebenfalls vier Personen oder 11,76% wollten keinen Job.
Ergebnis der Rechnung für Variante A und B: nach 26 Wochen bekommen Sie gleich viel, nämlich 671.088,63 Euro, das ist viel Geld! Interessant wird es erst bei einer Weiterbeschäftigung: Nach 39 Wochen dürfen Sie sich bei Gehaltsvariante A über Ihre erste Million freuen (genau: 1.006.632,95 Euro), bei Gehaltsvariante B sind Sie schon Milliardär*in (genau: 5.497.558.138,87 Euro). Nach einem Jahr schauen die Zahlen dann so aus: Gehaltsvariante A verdient 1.342.177,26 Euro, Gehaltsvariante B hingegen 45.035.996.273.705,00 Euro, was immerhin mehr als das 548-fache des österreichischen Bundeshaushaltes im Jahr 2017 ist. Die ganz Schlauen haben also dann recht, wenn sie nach 26 Wochen nicht mehr weiterbeschäftigt werden oder werden wollen, aus welchen Gründen auch immer.
"Lebendfalle", Foto: Sandra Ziagos
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"Nur zum Vergleich:"
Da solche im Intermezzo genannten Gehälter oder Gehaltsmechanismen den meisten Menschen allerdings eh nicht angeboten werden oder werden können, weil das niemand bezahlen kann, bringt uns das jetzt irgendwie auch nicht weiter. Als abhängig beschäftigter Mensch können Sie zwar so etwas wie soziale Sicherheit erreichen, aber wirklich reich werden Sie nicht. Als Kleinunternehmerin oder -unternehmer sind die Möglichkeiten allerdings auch begrenzt. Vor allem, wenn Sie, sowohl abhängig Beschäftigte als auch das Kleinunternehmertum, tatsächlich etwas herstellen oder eine Dienstleistung anbieten. Jetzt kann man sich darüber ärgern (siehe Teil 1: Eine kleine Polemik), oder nachschaun, wie das wirklich große Geld verdient wird.
Geschäftsmodell 1:
Sie überreden andere Menschen mit einem Verzinsungsangebot, Ihnen Geld für Investitionen zu überlassen. Dieses Geld bieten Sie einer Bank als Sicherheit für einen Kredit, um eine größtmögliche Anzahl von Wohnungen zu kaufen. Sie kaufen die Wohnungen und stellen den Mieter*innen den Kredit in Rechnung. Nach einiger Zeit (die hängt von den örtlichen Steuergesetzen ab) verkaufen Sie die Wohnungen an einen anderen Investor, der das gleiche macht wie Sie. Eingesetztes Kapital ist gleich Null, Ihr Geschäftsrisiko ist annähernd Null und der Ertrag ist der Verkaufspreis, den Sie nach Abzug Ihres Gehaltes, Ihrer Bonuszahlungen und Ihrer Provisionen mit den Eigentümern des Investitionskapitals teilen. Die Mieten erhöhen sich allerdings exorbitant (z.B. in München in den letzten zehn Jahren um 50%). Da Sie Ihr Kapital nicht angegriffen haben, steht es für weitere Investitionen zur Verfügung. Wenn was schief geht, ist das auch nicht schlimm. Sie kassieren selbstverständlich Ihr Gehalt und Ihre Boni weiter. Oder Sie werden gefeuert, was aber nichts macht, weil Sie eh vorher schon gar nicht so wenig verdient haben. Und: Scheitern ist kein Offizialdelikt, Sie werden also sicher wieder einen Job finden, Ihr persönlicher Headhunter erwartet Sie schon.
Geschäftsmodell 2:
Sie überreden andere Menschen mit einem Verzinsungsangebot, Ihnen Geld für Investitionen zu überlassen. Dieses Geld bieten Sie einer Bank als Sicherheit für einen Kredit. Mit dem Geld von der Bank kaufen Sie, bevorzugt in wirtschaftlich nicht entwickelten Ländern, fruchtbares Land den Grundeigentümer*innen zu einem günstigen Preis unterm Hintern weg (oder bestechen korrupte Volksvertreter, und die erledigen dann den Rest für Sie) und erwirtschaften mit den Ernten Ihren Ertrag. Mit diesem Ertrag sollten Sie dann noch Ihren Kredit zurückzahlen, allerdings haben Sie ja noch fruchtbares Land als Sicherheit, es kann Ihnen also praktisch nichts passieren. Dass die ehemaligen Grundeigentümer*innen dann nichts mehr zu essen haben und sich auf den Weg nach Europa machen, ist keine buchhalterische Größe. Rest wie oben beschrieben.
Geschäftsmodell 3:
Sie sind eine Bank. Wenn jemand zu Ihnen kommt, um sich Geld auszuleihen, schreiben Sie diese Summe einfach in Ihr Buch, weil Sie als Bank das Recht dazu haben. Dieses Buchgeld genannte Geld existiert nicht wirklich, gilt in der Bilanz allerdings als real, weil die Geldausleiher dafür haften. Mit diesem Buchgeld, das eigentlich gar nicht existiert, können Sie dann andere Geschäfte machen, bis Sie so groß sind, dass selbst eine Pleite Ihnen nichts mehr anhaben kann, weil Sie in diese Pleite so viele andere mit hineinziehen würden, dass die Politik sagt, das geht nicht und die Steuerzahler*innen Ihnen dann helfen, diese schwierigen Zeiten zu überstehen. Während dieser schwierigen Zeiten kassieren Sie selbstverständlich Ihr Gehalt und Ihre Boni weiter. Oder Sie werden gefeuert, was aber nichts macht, weil Sie eh vorher schon gar nicht so wenig verdient haben. Und so weiter.
Solche Geschäftsmodelle gibt es sonder Zahl. Allen gemeinsam ist, dass sie auf Geld als virtuelle Größe setzen und dass die, die die Gewinne einstreichen, für nichts haften und im Schadensfall die Anleger oder, bei ausreichender Größe des Unternehmens, die Steuerzahler*innen zur Bedeckung herangezogen werden. Hernach wird fröhlich so weiter gemacht, als wär nix passiert. Oder, wie es Warren Buffett, ein US-amerikanischer Großinvestor, schon im Jahr 2006 etwas drastischer formuliert hat: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen."
Das ist jetzt aber auch nichts Neues. Was soll ich also noch sagen? Vielleicht find ich was im Internet. Also zu
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Teil 4
"Ihre Meinung bilden Sie Sich gefälligst selbst!"
Über das Leben in der Blase.
facebook, twitter, instagram und co, alles schöne Oberflächen, auf denen man sich seiner Wichtigkeit für die Welt vergewissern kann. Ich habe friends, likes, follower oder sonst was, also bin ich wer. Und ich teile meine Ansichten mit anderen Menschen, die die gleichen Ansichten haben, wie ich. Wenn jemand meine Ansichten nicht teilt, kann ich ihn löschen. Ich muss aber nicht. Erstens würde ich friends, likes, follower oder sonst was verlieren. Viel wichtiger ist aber das Zittern am anderen Ende der Leitung: "Bin ich zu weit gegangen, war das zu ehrlich, bin ich noch dabei?", denkt sich dann da der, die, das. Und wenn ich mag, mach ich das alles auch noch anonym. Da kann ich dann so richtig die Sau rauslassen. Das ist schön wie Alkohol. Oder ich mach es eh schon besoffen, dann ist es doppelt schön.
facebook, twitter, instagram und co freuen sich allerdings auch wie besoffen, die kriegen Daten Ende nie. Und das frei Haus zugestellt: Wer wann was mit wem herumgemacht hat. Und das alles, ohne auch nur einen Finger zu rühren oder irgendwas dafür zu bezahlen. Und ich krieg, auch völlig gratis, meine eigene Werbung. Nach meinem eigenen Profil, das ein gescheiter Computeralgorithmus für mich erstellt hat. Was mich halt interessiert. Opernkarten krieg ich nicht angeboten, weil ich bei google nie nach Oper gesucht hab. Warum auch, wenns mich eh nicht interessiert. Ach ja, google ist natürlich auch bei diesen Daten-Kraken dabei. Wie all die anderen, von denen wir oft gar nichts wissen. Da steckt auch gar keine böse Absicht dahinter, mir wird nur das Leben leichter gemacht. Wenn ich was suche im Internet, werden mir die für mich relevanten Ergebnisse angezeigt. Was anderes muss ich nicht wissen. Für mich wird eben gefiltert, weil alles Wissen ja viel zu viel für mich wär. Die Daten-Kraken machen allerdings mit meinen Daten Milliardenumsätze, was zumindest für die Wirtschaft gut ist. Blöd ist, dass ich kein Geld dafür krieg. Gut ist, dass ich ja nur zu einem kleinen Teil weiß, was die mit meinen Daten wirklich machen, also brauch ich mich auch nicht groß ärgern.
Dass ich bei diesem Angebot von facebook, twitter, instagram, google und co retrograd verdumme, ist mir erst vor kurzem aufgefallen. Bis auf die Verdummung also wieder nichts Neues. Das ist jetzt kein schöner Abend, das hab ich mir anders vorgestellt.
Vielleicht also ein Spiel: Wir simulieren einen Daten-Kraken. Hier im Raum befinden sich 491 Bierdeckel, auf deren Rückseite sich ein Aufkleber mit einem QR-Code befindet. Jeder der QR-Codes führt zu einer Internetseite, und wenn Sie jetzt alle Internetseiten besuchen, können Sie mit einem gehirneigenen Algorithmus zumindest ein Interessenprofil erstellen, das allerdings schon wieder diverse Rückschlüsse auf meine Person zulässt, also quasi ein Bierdeckelpersönlichkeitsprofil. Weil ich die Seiten schon kenne, darf ich nicht mitspielen.
Beim zweiten Spiel haben Sie die Möglichkeit, Ihr Bildgedächtnis beim QR-CODE-MEMORY (Idee: Holger Born) zu trainieren. Viel Vergnügen dabei.
Zum Schluss möchten wir, also e.d gfrerer und ich, uns noch bei allen bedanken, die dieses Projekt ermöglicht haben. Im Sinne derer, die namentlich nicht so gerne in der Öffentlichkeit stehen, ersuche ich jene, die das normalerweise schon tun, diesmal darauf zu verzichten. Danke.
Und ganz zum Schluss: Obwohl da jetzt praktisch fast nichts Neues dabei war, finde ich es trotzdem schön, dass wir darüber gesprochen haben. Wenn Sie wollen, können Sie jetzt auch noch etwas LKW fahren, quasi zur Entspannung. Einen schönen Abend noch und herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.