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07 - der flüchtling

http://kunstradio.at/2005A/09_01_05.html#1
gesendet am 09.01.2005 23:05 Uhr auf ORF - Ö1 - Kunstradio
Sprecher: Matthias Ohner / technische Betreuung: Johann Puntigam

 

 

Jetzt ist der Nebel dichter. Ich muss langsam fahren, aber das Auto geht sowieso nicht schnell. Es ist alt, dauernd muss man was richten. Laut ist es auch und die Scheibenwischer verschmieren die Sicht. Sie quietschen zwischendrin. Wieder neue Wischerblätter. Es sind fast neue Wischerblätter, aber die gehen nicht. Die originalen kann ich mir nicht leisten. Die spinnen mit den Preisen, das ist eine reine Betrügerei.

 

Die Heizung zurück, es ist viel zu heiß. Aber vorher war die Tür lang offen, und draußen ist es kalt. Den Laster überholen. Achtzigtausend Kilometer heuer. Die Arbeit. Arbeit suchen, die kommt nicht von selber. Immer telefonieren, oft auch in der Nacht. Immer erreichbar. Immer kleine Sachen. Und dann weiter. Heute hat noch keiner angerufen. Sie auch nicht. Obwohl, der Hund ist krank. Mit dem Auto fahren. Oft muss ich da auch schlafen. Den Schlafsack.

 

Die Brieftasche hätt ich mitnehmen sollen, die haben sicher Geld gehabt. Wieder ein Laster. Überholen. Hinten kommt einer daher und blinkt mich an, der ist viel zu schnell. Dass der mich überhaupt gesehen hat. Morgen muss ich Geld heimschicken, die können nicht so lange warten. Sie hat gesagt, der Vermieter hat schon zweimal angerufen. Der ruft immer an, auch wenn wir pünktlich zahlen. Es ist dringend. Immer ist es dringend. Hoffentlich haltet der Auspuff. Richtig richten hab ich das nicht können. Klebeband und Draht. Die hab ich liegen lassen.

 

Die hab ich liegen lassen. Mir wird heiß. Die Heizung zurückdrehen, es zieht kalt auf die Füße. Mehr Wärme. Einschlafen kann ich jetzt sowieso nicht. Der Radio. Nicht zu laut, ich muss den Auspuff hören. Ein paar Nebelschwaden, dann ist die Suppe wieder dicht. Trotzdem überholen immer welche. Die können auch nicht mehr sehen als ich. Einen Unfall kann ich mir nicht leisten, das fehlt mir noch. Ich kann nicht heimfahren und das Auto reparieren.

 

Morgen Elektrik. Das mach ich gerne. Ist nicht so nass und dreckig wie die Maurersachen. Und Geld ist auch mehr. Fliesenlegen ist noch mehr, das geht mit die Quadratmeter, da bin ich schnell. Viele Ecken und Kanten ist noch besser. Man braucht halt Werkzeug. Ist alles hinten drin. Ist auch teuer, bis man alles hat. Alles hinten drin. Ich borge nichts mehr her.

 

Das Nieseln hat aufgehört, also keine Scheibenwischer mehr. Nur ab und zu, wegen dem Nebel. Die Autobahn ist feucht. Baustellen sind auch feucht. Kalt, jetzt. Das zieht dir in die Knochen. Nirgends kann man sich wärmen, überall muss man was zahlen. So geht das. Den ganzen Tag. Und immer schnell. Da kommst du ins schwitzen und frierst trotzdem. Nicht krank werden. Da verdienst du nichts. Zahlen musst du trotzdem.

 

Ich hab sicher schon hundert Rollmeter gekauft, die sind immer weg. Auf einer Baustelle kann man nichts liegen lassen, das ist alles weg. Immer alles einsperren. Obwohl, aus dem Auto haben sie auch schon Sachen gestohlen. Und kaputt gemacht. Mit dem Holzstemmeisen Fliesen von der Wand geschlagen. Ist kaputt. Bis du das wieder geschliffen hast, hast du zwei neue verdient. Von unten kommt es warm. Die Hose trocknet langsam. Sie wird steif, unten. Ich hätt die Sachen ausziehn sollen, aber so viel Zeit war nicht. Ich hab weg müssen. Die alten Nummern im Radio. Wie die das machen, die sind immer fröhlich bei diesen neuen Sendern.

 

Die Handkreissäge ist auch hin. Der hat so lang geschnitten, bis sie geraucht hat und gestunken. Wicklung durchgeschmort. Das kann ich schon richten. Zu Hause im Keller, in der Werkstatt. Die haben sich auch aufgeregt, weil ich da ein extra Licht hab und einen Strom. Das müssen alle zahlen, haben sie gesagt. Wann bin ich schon daheim. Ich hätt es richten können. Der hat natürlich nicht bezahlt. So geht das Geld weg. Das zahlt dir keiner, bis du was repariert hast.

 

Einkaufen. Bis du dort bist und wieder zurück sind zwei Stunden weg. Zahlt dir auch keiner. Ich war zu Fuß schon oft schneller, aber das geht auch nicht. Gerade bei den schweren Sachen. Die kannst du nicht so leicht tragen. Warum soll ich das auch tragen mit meinem Kreuz. Reicht schon, wenn man das Zeug hinaufschleppt in den vierten Stock. Die Farbkübel.

 

Ausmalen tu ich auch gerne. Da kann man was denken bei der Arbeit. Das geht bei der Elektrik nicht. Und es geht schnell. Ich mach das ordentlich. Alles abkleben. Die Abdeckungen von den Lichtschaltern und Steckdosen putzen. Richtig putzen. Um die Türen und Fenster auch. Und die Sesselleisten. Den Boden auch. Das gibt Trinkgeld, wenn alles sauber ist und hell. Hell. So schnell wird es nicht hell. Die Uhr.

 

Das ist ein komisches Licht mit der Dunkelheit und dem Nebel. Und die Scheinwerfer. Jetzt ist wenig Verkehr. Nur ein paar Verrückte zischen manchmal vorbei. Der Pullover ist vorne noch ganz nass, ich muss bald stehen bleiben und mich umziehen. Das Auto putzen. Wenn es hell wird, sieht das ja gleich jeder.

 

Reparieren kann ich schon. Aber das ist mehr daheim. Zu Hause. Da ist wenig Geld, da muss man die Sachen richten. Da zahlen sie auch wenig. Dann muss ich wieder weg. Achtzigtausend Kilometer. Reparieren tu ich gern. Wenn der Kredit weg ist, bleib ich dann daheim. Fünf Jahre noch.

 

Die Hände picken am Lenkrad, ich muss bald stehen bleiben. Ihr fällt dann sicher wieder was ein, was wir noch brauchen. Kredit nehme ich keinen mehr. Ich bin eh nie daheim. Alle drei, vier Wochen ein paar Tage. Wäsche waschen, das Werkzeug richten, schlafen. Dann bin ich wieder weg.

 

Das war ja damals leicht, auch mit der Arbeit. Richtig Arbeit kriegst du ja nicht mehr, und wenn, wirst du beschissen. Ohne Papiere wirst du sowieso immer nur beschissen. Also gleich schwarz. Ist auch nicht leicht. Wenn es mehr ist, wollen die jetzt auch schon eine Rechnung. Ich muss tanken. Vorher das Auto putzen.

 

Immer streiten wegen dem Geld. Ich hab schon ein Foto gemacht auf der Tankstelle, damit sie weiß, was der Benzin hier kostet. Aber dann ist es halt was anderes. Vorne den Parkplatz kenn ich, da ist nie wer. Ich muss das Auto sauber machen. Vor dem Klo stehen bleiben, wegen dem Wasser. Es ist wirklich niemand da. Hände waschen. Den Hund lasst sie auch immer laufen ohne Leine.

 

Von hinten einen Müllsack. Ich ziehe alles aus, es sind überall Flecken drauf, die gehen nicht mehr raus. Nackt am Parkplatz. Es ist kalt. Schnell anziehen. Die alten Sachen in den Müllsack, die Schuhe auch. Das falsche Lammfell für den Fahrersitz hat sie mir zum Geburtstag geschenkt, da sind auch Flecken, also weg. Vielleicht merkt sie das ja gar nicht. Das merkt sie sicher. Da fällt mir schon was ein.

 

Den Fetzen aus der Werkzeugkiste. Die hab ich selbst gemacht. Holz. Da ist alles drin. Der Fetzen, ins Klo und nass gemacht, ist Wasser. Ich schau mit der Taschenlampe und wische alles ab. Ich muss den Fetzen öfter auswaschen, das verschmiert sich. Wie bei den Scheibenwischern. Manchmal fährt ein Auto vorbei. Ich muss mich beeilen, man weiß ja nie. Obwohl, man kann es hören, wenn einer langsamer wird.

 

Die Nachrichten im Radio. Ein Todesopfer und eine Schwerverletzte auf einem Autobahnparkplatz. Ein unverletztes Kind. Eine Zeugin schwafelt was von Grauen und vom Blut. Die sind auch immer schneller mit ihren Mikrophonen. Welches Kind? Da war kein Kind. Auf der Tür ist auch noch was, dann bin ich fertig. Den Fetzen auch gleich weg.

 

Im Müll ist schon ein anderer Sack und Abfall, also den Müllsack ganz unten rein und den Abfall drüber. Nicht schmutzig machen. Die Hände waschen, noch einmal wischen mit dem Ärmel. Ich komm drauf, dass ich aufs Klo muss. Jetzt hab ich Zeit, jetzt sieht das keiner mehr. Es rauscht nur so raus. Das Gedärm. Sauber ist das Klo nicht, war es vorher auch nicht. Mir ist leichter. Mit so einem Auto wirst du sowieso immer aufgehalten. Schon wegen der Nummer. Und hinten das ganze Werkzeug. Das gibt immer Fragen. Dann endlich weiterfahren.

 

Im Auto ist es kalt. Schon wieder. Einheizen. Jetzt ist mir schlecht. Das geht jetzt nicht, ich schluck es runter. Ich kann jetzt nicht aus dem Auto speiben, ich habe grad geputzt. Die Zigarette macht es auch nicht besser. Der Geschmack im Mund. Ich merke, die Hände zittern. Ich mach die Musik lauter. Das geht schon vorbei. Ich mach das Fenster etwas auf, es hilft. Bei den Füßen ist es warm. Noch eine Zigarette. Hab ich vorher eine geraucht? Ich habe nicht geraucht. Wieder Nachrichten. Wieso schon wieder Nachrichten. Gewaltverbrechen, Fahndung. Die hat gar nichts gesehen, sogar das Auto ist falsch. Bis die was bemerkt hat, war ich schon lange weg.

 

Er hätte ja nichts sagen müssen. Freundlich. Ich war freundlich. Aber der hat das witzig gefunden, ich unter dem Auto. Unter dem Auto nämlich. Nass, kalt, finster. Und ich mach am Auspuff herum, blöd mit der Taschenlampe im Mund. Steh ich auf und frag, was ist so witzig. Zumindest da hätt er den Mund halten können. Und dann liegt er da, ganz ruhig. Und dann hinter mir die Frau, hysterisch. Da war es dann zu spät zum Wegfahren. Ich hab meine Frau nie geschlagen. Die Kinder auch nicht. Natürlich nicht. Nie. Die Frau hab ich dann schon geschlagen. Die hat nicht aufgehört. Also hab ich zugeschlagen. Bis sie ruhig war.

 

Dann den Mund verklebt mit Klebeband. Das hat erst nicht gehalten, wegen dem Blut. Dann aber doch, einfach rundherum. Die Hände auf den Rücken und dann zum Schild gebunden. Klebeband. Ablagerungen verboten. Da wollt ich dann eigentlich weg. Da ist der Mann dann aufgewacht. Und der kann sein blödes Maul nicht halten. Also bind ich ihn auch zum Schild. Zur zweiten Stange. Dann hab ich das Messer geholt. Damit er es sehen kann. Und dann den Draht.

 

Ich muss bald tanken. Die Brieftasche hätt ich mitnehmen sollen, die ist ihm hinten rausgefallen. Da war sicher genug. Ich muss von der Autobahn runter.

 

Das ist blöd. Um die Zeit kann ich nicht stehen bleiben, da fall ich auf. Ich muss weiterfahren. Tanken muss ich.

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