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asoziale intervention

Foto: rhizom/THROUGHtheTEXT(URE)-part I

über "OUTof SPACE – Jakoministraße 2001 - 04" / RHIZOM 2004

 

Eingezwängt zwischen den hochherrschaftlichen Gebäuden der Stadt und den großbürgerlichen Häusern der Vorstadt (und nicht zu vergessen: dem architekturierten Personenumschlagplatz namens Jackson) existiert in der schmalen Jakoministraße der Mikrokosmos der Kleingewerbetreibenden, der kleinen Geschäfte und Lokale. Und der kleinen Häuser. Noch.

 

Seit Jahrzehnten kämpfen sie den Kampf gegen das große Geld, das hier nicht mehr zu machen ist, und es ist ein langsames Sterben: unentwegt finden sich welche, die dann doch noch einmal eines der leeren Geschäftslokale als Lebenszukunft erachten, die weder Kosten noch Mühen scheuen, dieser sterbenden Straße Leben einzuhauchen, um selbst leben zu können. Es werden weniger. Die leeren Erdgeschosse mehr.

 

In den Siebzigerjahren hat es da noch einen Möbelhändler gegeben, der damals alle aufgegebenen Geschäfte besetzt hat. Hat sich ausgebreitet wie ein Pilz. Und ist vertrocknet an den Parkplätzen, die es nicht gibt, weil alle paar Minuten die Straßenbahn durchdonnert. Wer trägt seinen neuen Kasten schon nach Hause.

 

Oder der Modellbauer. Ist auch nicht mehr. Der große Schallplattenhändler. Und der kleine Schallplattenhändler. Der hat erst das Geschäft daneben dazugenommen. Dann ist er ans Ende der Straße gezogen, da war es dann schon kleiner. Dann ist er weg. Aus. Die Buchhandelskette. Der Chinese. Und all die anderen, die man mühsam aus dem gemeinsamen Gedächtnis kratzt. Leere Erdgeschosse.

 

Darüber wohnen Leute, die ihre Autos im Hof parken (diese Hinterhöfe!). Und aus den Fenstern schauen und die Polizei rufen, wenn man einmal was ausladen muss (eine Minute), oder einladen (auch eine Minute). Weil das nicht geht. Wegen der Ladetätigkeit. Wegen der Ordnung. Und überhaupt. Und die sich das Sterben der Straße von oben anschauen. Und die städteplanerische Ignoranz, die sich um die kleinen Dimensionen nicht mehr schert, nicht mehr scheren kann, weil die Dimension an sich verloren gegangen ist. Da ist es dann ungeheuer schwer, die großen Probleme zu lösen für das Kleine. Politik eben.

 

Politik, die auch andernorts (durchaus in Graz) durch eben diese Politik entkriminalisierten Immobilientandlern beim Häuserabreißen zuschaut. Die sich über das Gesetz herablässt und gewährt. Oder eben gewähren lässt. Die sich nicht entblödet, von (neuer) Architektur für die Stadt zu sprechen, wo es doch um die (alte) Schande des Wegschauens, des Nichtstuns geht. Die sich nicht geniert, für das Zeigen dieser Schande Geld auszugeben. Die sich mit diesem Geld belobhudelt für den Kotau vor dem Primat der Wirtschaft. Der Wirtschaftlichkeit. Der Verwertbarkeit. Dem Wertlosen. Politik eben.

 

Und dann:

 

Eingezwängt zwischen den hochherrschaftlichen Gebäuden der Stadt und den großbürgerlichen Häusern der Vorstadt (und nicht zu vergessen: dem architekturierten Personenumschlagplatz namens Jackson) in der schmalen Jakoministraße - eine Infektion schleicht sich ein, RHIZOM breitet sich aus.

 

Da ist sie, die asoziale Intervention, die den Leuten die Standorte aus den Händen nimmt und den KunstRaum in die tägliche Wirklichkeit überträgt. Die mit (fast) keinem Geld das System Geld aushebelt und das Programm zum Programm erhebt. Die den Ort zum Raum für Kunst macht, zum KunstRaum eben. Und die der städteplanerischen Ignoranz konsequent eine lange Nase dreht (manchmal auch den Finger zeigt). Und asozial agiert, weil sie sich gegen die Richtung stemmt, die das Soziale, die Gesellschaft, die Politik hier vorsieht: Sterben.

 

RHIZOM greift in den Raum dieser Straße und macht Platz. Das ist ein Spektakel, und die Leute oben schauen aus den Fenstern. Die unten schauen auch. Da kommt die Polizei, obwohl kein Mensch was auslädt oder ein. Da kommt die Feuerwehr, obwohl es gar nicht brennt (und dann doch, aber das ist eine andere Geschichte). Da parkt die Straßenbahn, und drinnen ist die Kunst. Draußen auch. Da wird umgezogen (wegen einem Immobilientandler) und dann wieder zurück. Und dann noch einmal (wegen einem Immobilientandler), aber nicht mehr zurück. Da wird ausgezogen, um umzuziehen. Und dann wieder in einem neuen Geschäft - die Kunst. Obwohl es gar kein Geschäft ist.

 

Die Brassband zieht durch die Straße, der Fiaker fährt, ein Modellauto mit Kamera an Bord. Filmgeschichte und andere wird geschrieben. „Plakataktion“ versus „Plakatieren verboten“, „Komme gleich“ gegen „Geöffnet“. Da gibt es einen Raum, dann sind es wieder viele, und dann keiner. Nicht zu vergessen: das Haus, in dem der bildende Künstler Mirko Maric nicht geboren wurde. Am 14. Januar 1949. Damals schon.

 

Es gibt ein Hotel, das ist im Erdgeschoss. Und nur da. Und da wohnen Leute, dauernd andere, wie in einem Hotel eben. Und die gehen auf ein schönes Klo. Das ist im Winter kalt. Im Sommer auch. Und im Setzkasten sammeln sich die Erinnerungsstücke, bis sich die Erinnerung darüber hinaus ausbreitet. Es ist immer was los. Geöffnet ist drinnen und draußen. Dann kommt wieder einmal die Polizei, aber da ist gerade nichts. Außer Kunst.

 

An sich an keinen Ort gebunden, entwirft RHIZOM für den KunstRaum Jakoministraße einen Nahverkehrsplan für die weite Welt. Linien werden angerissen, verworfen, neu erdacht, geplant. Projekte entstehen und bilden neue Linien. Und in den Projekten wiederum finden andere Linien ihren Ursprung. Oder draußen. So wächst ein Netzwerk an Verbindungen heran und weiter vor sich hin, das im ZeitRaum seine Verknüpfungen erstellt - Stationen, um anzuhalten, auszusteigen, sich umzusehen. Oder Stationen, um umzusteigen und neue Verbindungen, Verknüpfungen zu erstellen. Und Linien, um ihnen zu folgen.

 

Menschen machen das. Die, die da sind. Die, die mitmachen. Die Künstlerinnen und Künstler, die über die Jahre in einer beispiellosen Anzahl, Intensität und Qualität gearbeitet haben in dieser Straße, und weit darüber hinaus.

 

Die den ZwischenRaum geschaffen haben, in dem diese Straße lebt. Zwischen dem, was gerade kein Geschäft mehr ist und dem, was gerade noch kein Geschäft ist. Zwischen denen, die hier leben und denen, die hier arbeiten. Zwischen denen, die hier noch aushalten und denen, die es hier nicht mehr aushalten. Zwischen denen, die die Straßenränder beeilen und denen, die hier verweilen. Zwischen den Zeilen, die die Straßenbahn zieht. Zwischen dem Gehen und dem Kommen.

 

In diesem ZwischenRaum bewegt sich das, was RHIZOM ausmacht. Dort findet das statt, was, und das ist bitte keine Kunst, Kunst ist.

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