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05 - ticken

http://www.kunstradio.at/2004B/12_09_04.html
gesendet am 12.09.2004 23:05 Uhr auf ORF - Ö1 - Kunstradio
Live aufgenommen am 17.07.2004 im Hotel Pupik / Schrattenberg
Sprecherin: Ilse Amenitsch / Tontechnik: Ollmann
Klangspende: Heimo Wallner (Trompete)

 

 

Es ist jeden Tag das Selbe, die Tochter will nicht auf und dann ist alles eilig. Aber jetzt sind Ferien, so lasse ich sie liegen. Bis sie aufsteht bin ich wieder da. Mit dem Fahrrad in die Stadt, ich hab den Rucksack mitgenommen, ich muss einkaufen.

 

Von der Oberstadt die schmale Gasse hinunter fahr ich langsam, es sind Leute unterwegs und von der Ladetätigkeit auch viele Autos. Dort, wo der Hund hinmacht, pass ich auf. Ich hab das schon im Reifen gehabt, es hat gestunken und vom Putzen ist mir schlecht geworden. Es ist gar nicht erlaubt, auch nicht ohne Leine.

 

Unten auf dem großen Platz stell ich das Fahrrad ab, es ist einfacher zu Fuß. Ich muss es zum Fahrradständer sperren, weil viel gestohlen wird. Auch am Tag. Beim Gewandgeschäft am Eck ist was im Angebot, so kauf ich was, das wollt ich sowieso. Dann hinüber zum Drogeriegeschäft, hier brauch ich etwas länger. Entweder räumen die immer um, oder ich kann es mir nicht merken. Auf jeden Fall ist hier immer was zum Suchen. Vielleicht ist es, weil es hier so eng ist. Kassa ist auch wieder nur eine offen.

 

Papierfachgeschäfte gibt es kaum, und mit der Büroartikelkette ist es seltsam. Eigentlich haben sie alles, aber wenn ich was brauche, gibt es das gerade nicht. Das war schon vor der Pleite so. So muss ich hinüber zum Großkaufhaus, da ist es umgekehrt. Beim Eingang bläst die Luft von oben, drinnen stinkt es, weil da die Stände sind mit den Parfums. Es riecht alles durcheinander. Ich kauf die Minen für den Kugelschreiber, dann geh ich wieder. Diese Geschäfte mag ich nicht, es ist nur Gedränge, alle sind sehr eilig, und billiger ist auch nichts. Da schau ich, dass ich gleich draussen bin.

 

Beim Metzger ist das anders, da ist auch Gedränge, aber es fängt beim Grüßen an. Obwohl wir nicht viel Fleisch essen, kennt er mich. Heute ist es Schinken und zwei Schnitzel. Er hat immer was zu reden, da steh ich gerne etwas länger. Dann der Bäcker, das geht schnell. Vier Semmeln und ein Brot. Ums Eck kauf ich den Trichter für das Ölumfüllen.

 

Zurück zum Fahrrad und dann zum Markt. Ich brauche noch Salat und etwas Gemüse. Hier muss man schauen, die sind verschieden teuer. Normalerweise komm ich später, da ist es billiger, weil sie die Sachen weghaben wollen, aber heute hab ich keine Zeit. Ich gehe eine Runde, dann habe ich Radieschen, Tomaten und Salat. Auch guten Käse habe ich gekauft, ich hab ein Stück gekostet. Und die Eier. Die hätt ich fast vergessen. Sie sind groß. Die Normalen nehm ich nicht mehr, ich hab gehört, dass sie da welche aus dem Großmarkt druntermischen aus der Legebatterie.

 

Dann kann ich endlich heimfahren. Die Post mitnehmen und die Zeitung, oben sitzt sie schon am Tisch beim Tee. Ich setze mich dazu und raste mich kurz aus. Reden tun wir nicht viel, sie hat den Schlaf noch in den Augen. Dann räume ich die Sachen weg und mache mir Kaffee. Ich richt den Rest fürs Frühstück her. Natürlich hat sie keinen Hunger, sie geht ins Bad. Ich will schon was, dazu lese ich die Zeitung. Die erste Zigarette.

 

Das Telefon läutet, es ist die Arbeit. Es sind ein paar Sachen ausgefallen, die anderen sind dann wieder später. Es wird umgestellt, ich bin erst nächste Woche wieder dran, dafür öfter. Das kommt vor. Mir macht es nichts aus, so kann ich früher fahren. Ich rede mit der Tochter, die will jetzt wieder nicht. Also die Oma anrufen, die sagt, sie freut sich. Die Sachen einpacken, das dauert etwas, das Wetter ist verschieden, so weiß ich nicht recht, was. Bis ich alles beieinander habe, ist sie auch fertig. Wir können weg.

 

Erst zu meiner Mutter, da ist sogar ein Parkplatz, wir müssen die Sachen nicht weit tragen. Die Oma freut sich wirklich, die Tochter packt gleich aus. Wir trinken Kaffee, rauchen ist nur am Balkon, das stört mich nicht. Noch etwas reden, ein Nachbar ist gestorben, den hab ich kaum gekannt. Alt ist er nicht geworden, die Arbeit. Dann geht es los, es ist fast wie früher.

 

Der Verkehr. Unter der Woche ist jetzt auch schon viel. Und viele Laster. Es ist mir egal, jetzt hab ich es nicht mehr eilig. Das Fleisch im Kühlschrank fällt mir ein. Das Gemüse. Das Brot kann die Tochter für die Pferde nehmen. Im Auto rauch ich nicht, mit dem vielen Kunststoff stinkt das schon genug. Ich brauch die Sonnenbrille. Es geht so dahin.

 

Wegen der Schallschutzwände sieht man die Landschaft kaum, nur das was drüber ist. Aber die sind auch nicht überall. Da möchte ich nicht wohnen. Die Berge werden höher, die Autobahn ist aus. Weiter vorne kommt dann Scheifling.

 

Auf dem Clipboard hängt die Wegbeschreibung: Die Tankstelle, die Kreuzung, nach dem Supermarkt dann rechts ist eine schmale Straße, da ist links die Bäckerei. Gegenüber gibt es Blumen, aber das sieht man kaum beim Fahren. Geradeaus, bei der Bank vorbei, wo es ausschaut wie ein Platz, da muss ich links, es geht bergauf. Die erste rechts, auch hier bergauf in Richtung Sportplatz. Dort, wo es eben wird steht dann ein Marterl, hier wieder links, dann ist das Marterl rechts. Die Schule auch. Immer geradeaus bergauf. Zur Kontrolle, rechts kommt die Kartoffel, das ist ein Denkmal. Nach der Unterführung rechts, bis die Straße aus ist, auch wenn es ausschaut, als hätt man sich verfahren.

 

Also fahr ich rechts, da ist die Bäckerei, dann vorne links. Wie ich die Trafik seh, fällt es mir ein. Ich bleib kurz stehen und geh noch Zigaretten kaufen. Der Hund im Geschäft bellt laut. Er hat gelbe Zähne und folgen tut er auch nicht. Ich fahre weiter, die erste Gasse rechts. Wo es dann eben wird, wo dann das Marterl kommt, seh ich den Wagen, der ist ausgebrannt. Leute sind herum, zwei spritzen Feuerlöscher leer. Die sind nicht aus dem Auto, die sind viel größer. Die Freunde stehen auch dabei. Weiter oben steht ein Auto quer, die Türen offen.

 

Ein Mann mit Leine in der Tasche kommt zu mir und deutet Fenster runter. Ich dreh das Fenster runter. Er sagt, ich soll das Auto hinten hinstellen, hier kann man nicht vorbei. Ich schieb zurück und fahr zum Platz hinunter, hier ist alles frei. Ich stell das Auto ab, geh ich halt zu Fuß. Ich nehm die Tasche und den Schlafsack raus. Ich merke, es ist kühl.

 

Wie ich das Auto absperr, hör ich das Martinshorn, dann fahrn sie schon vorbei. Ich nehm die Sachen und geh los, da wieder hinauf. Oben, wo ich gestanden bin, liegt jetzt ein Hund, der ist ganz schwarz. Am Boden eine Spur, den haben sie da her gezogen. Weiter vorne steht jetzt das Löschfahrzeug, das Blaulicht dreht sich. Die Männer mit den grellen Jacken stehen um den Wagen. Zum Löschen gibt es nichts, rauchen tut es auch nicht mehr. Es hält mich einer auf. Es ist nicht der Mann mit Leine in der Tasche, der steht vorn und redet wichtig. Der Eine sagt, dass ich da nicht vorbei kann, da ist noch einer drin und das schaut grausig aus. Wir stehn herum, dann geht er wieder weg. Ich geh ein Stück zurück, weil das verbrannte Fell vom Hund stinkt, sehen kann ich da auch.

 

Wie einer herschaut, winke ich den Freunden. Dann stehen wir zu dritt herum. Reden tun sie nicht viel, der Kleine ist ganz blass, der Große hat angesengte Haare. Die mit den grellen Jacken haben die Tür vom Wagen aufgebrochen. Sie haben Handschuhe an, das Auto ist noch heiß. Einer beugt sich hinein, er tut herum, dann sagt er was zum Einen hinter ihm. Es ist nicht weit, aber verstehen kann ich nichts. Der hinten gibt dem vorne dann ein Messer.

 

Es ist auf dem Land, trotzdem stehen genug Menschen. Die meisten müssen reden. Ich stell die Tasche runter, die ist schwer, den Schlafsack hab ich unterm Arm. Es kommt ein Rettungsauto und Gendarmerie, wir gehen etwas auf die Seite. Sie steigen aus, die Rettungsleute schauen in den Wagen, aber da ist nichts zu machen.

 

Dann wird organisiert. Die Gendarmerie schiebt bis zu uns zurück und sperrt die Strasse, die Leute vorne müssen weg. Die Beamten nehmen den Unfall auf, die Freunde sollen kommen, so steh ich jetzt allein mit denen, die vorher vorne waren.

 

Die Rettungsleute holen das Wagerl raus und tragen es zum Auto. Der Eine holt dann noch was, neben dem Wagen wird das aufgerollt. Es ist ein schwarzer Sack mit Reissverschluss, der wird geöffnet. Sie ziehen Handschuhe an, dann heben sie ihn heraus. Er ist schwarz. Obwohl es weiter weg ist, kann ich gut sehen. Der Mund ist offen wie zum Schreien. Ich weiß, das ist von der Hitze. Die Zähne. Er wird in den Sack gelegt, der Reissverschluss geschlossen. Auf der Seite sind die Schlaufen zum leichter Tragen, sie heben ihn aufs Wagerl. Das wird hochgezogen, arretiert, so kann man es bequemer schieben. Hinten hinein, die Heckklappe geschlossen, die Seitentüre auch.

 

Der Eine redet noch mit dem Gendarmen, dann grüßen sie. Sie steigen ein und fahren zurück zu uns, wir sind jetzt mehr. Der andere Gendarm scheucht uns weg und stellt sein Auto auf die Seite. Dann kann die Rettung fahren. Der Gendarm sperrt mit dem Auto wieder die Strasse ab. Wir rücken langsam nach.

 

Die mit den grellen Jacken schieben den ausgebrannten Wagen weiter vor zur Schule, damit man vorbeifahren kann. Abgeschleppt wird später. Am Boden ist ein großer schwarzer Fleck, der Asphalt ist weich, man sieht die Spuren. Das Löschfahrzeug rückt ab, wieder stellt der Gendarm sein Auto auf die Seite. Der oben quer gestanden ist, fährt auch gleich weg. Jetzt ist es nicht mehr interessant, die Leute gehen. Es wird still.

 

Ich warte. Mir tun die Füße weh. Ich nehm die Tasche und geh hinüber zum Marterl, da ist eine Bank. Dem Fleck am Boden weich ich aus. Der Mann mit Leine in der Tasche fragt den Gendarmen, was mit dem Hund passiert. Der Gendarm sagt, der muss weg. Der Mann mit Leine in der Tasche regt sich auf, der Gendarm deutet auf die Leine.

 

Es ist alles fertig, die Freunde kommen her. Wir stehen vor dem Marterl. Links und rechts sind Blumen, die sind von der Hitze welk, trotzdem ist es bunt. Das Gatter ist zu. Wir rauchen. Oben ist ein Bild, da sitzt ein Soldat vor einem Kreuz. Auf dem Kreuz ist ein Schild, da steht, ich hatte einen Kameraden. Die Gendarmen grüßen herüber und fahren weg. Der Mann mit Leine in der Tasche steht drüben bei dem Hund, er schaut runter in die Wiese. Es ist ganz ruhig. Ich höre das Geräusch, das Metall kühlt ab.

 

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