Kunstradio im Kunstradio, Bild: Josef Klammer
Kunstradio im Kunstradio
eine akustische Bildbeschreibung
gesendet am 20.09.2020, 23:00 Uhr
live aus dem esc medien kunst labor
nachzuhören auf: http://kunstradio.at/2020B/20_09_20.html
Josef Klammer: e-drums, controller, toys
Seppo Gründler: extended guitar, electronics, gadgets
Albert Pall: Text
Ninja Reichert: Stimme
Das Projekt:
Eine Sprecherin und zwei Musiker sind im esc medien kunst labor (Bürgergasse 5, 8010 Graz) räumlich vom Puplikum getrennt, ganz im Sinne der vorherrschenden Covid-19-Zeit. So isoliert bearbeiten Josef Klammer und Seppo Gründler Live-Streams von diversen Radiosendungen und fügen ihre eigenen Klangergebnisse als Live-Input ihrer Performance hinzu. Ninja Reichert spricht analog dazu eine akustische Bildbeschreibung des Live-Konzertes, quasi eine Audiodeskription wie bei Fernsehfilmen.
Die Stimme der Sprecherin wird zum Solo- und Begleitinstrument, wie die Klänge der Musiker zwischen dem Radioraum, akustischen Objet Trouvés und solistischen Einlagen oszillieren.
Sämtliches akustisches Material wird mittels Binauraltechnik im Hör-Raum dreidimensional verteilt. Ein optimales Hörerlebnis für Kopfhörer im wörtlichen Sinne. Ein Kopfhörerkonzert, üblicherweise bei Klammer und Gründler eine Skulptur im Raum der Performance, expandiert bei diesem Projekt in eine globale Radio-Hör-Skulptur.
Text:
Vorweg: Obwohl oft Grosses herauskommt, kann man in den Radio nicht hineingehen, er ist zu klein. In die Sendung "Kunstradio im Kunstradio" kann man auch nicht hineingehen, obwohl sie gross genug wäre. Schwierige Zeiten sind so. Sie können aber überall draussen jedwedes Empfangsgerät nutzen, sogar unterschiedliche, und auch mehrere auf einmal, was aufgrund der verschiedenen Empfangsverzögerungen seinen eigenen Reiz hat. Sie erzeugen so quasi Ihre eigene Sendung, obwohl es nur Empfang ist. Was lecker Radio.
Wir steigen jetzt live in die Sendung ein, und wenn wir wieder aussteigen, sind wir schon fast da. Wir befinden uns im Aufführungsraum des esc medien kunst labor in Graz, den Sie nicht betreten dürfen. Schwierige Zeiten sind so, das habe ich schon gesagt. Wir sind also im Aufführungsraum, der gleichzeitig eine Galerie ist. Sie sind draussen und können uns von drei Seiten zuschauen. Es ist also quasi ein Glaskastenkonzert, vergleichbar mit einem Schaufenster, in das Sie ja auch nicht hineingehen können. Was sollten Sie da auch tun.
Zur Technik:
Ninja Reichert spricht in ein bis zwei Mikrophone, das hängt davon ab.
Die Musiker Josef Klammer und Seppo Gründler wiederum haben sich für diese Sendung jeweils drei Arbeitsplätze eingerichtet und diesen aus Gründen der Übersichtlichkeit auch Namen gegeben. Hier die Übersicht:
Josef Klammer - Arbeitsplatz 1 - Electronic Percussion Pad, bestehend aus Yamaha DTX-Multi 12, erweitert durch das Yamaha HH65 HiHat-Pedal und das Yamaha KU 100 Bassdrum Pedal, was laut Produktbeschreibung unglaubliche Möglichkeiten in der Erzeugung von Klang eröffnet, obwohl es sehr einfach ausschaut. Dazu gibts noch den Attack 3 Joystick von Logitech.
Josef Klammer - Arbeitsplatz 2 - freedrum - Air Drum Kit. Die Freedrum-Sensoren werden mit der mitgelieferten Gummi-Befestigung an die Drum-Sticks gespannt. Die Bewegungen der Sensoren werden über ein integriertes Gyroskop im Raum zugeordnet. Auch der Winkel und die Schlaggeschwindigkeit werden erkannt, wodurch ein Schlagzeug exakt nachgeahmt werden kann, obwohl keines da ist.
Josef Klammer - Arbeitsplatz 3 - zwei Wii-Game-Controller (Rot und Weiss). Die Wii-Fernbedienung Plus ist der innovative Controller der Wii-Konsole. Sie beinhaltet einen Bewegungssensor und kommuniziert drahtlos mit dem Computer. Mit etwas Geschick kann man aber auch etwas anderes als Spiele spielen. Herr Klammer bewegt sich dabei frei im Raum und agiert vor dem Publikum hinter Glas an allen drei Seiten der Galerie.
Seppo Gründler - Arbeitsplatz 1 - Guitarrero. Im Stehen werden verschiedene Epiphone, vulgo Zupfinstrumente gespielt, die über diverse am Boden liegende Effektgeräte, auch Bodentreter oder Tretminen genannt, mit elektronischen Sounds versehen werden. Überdies wird über ein Tablet die Spatialisation gesteuert. Soweit ich das verstanden habe, wird damit der Klang im Raum verteilt.
Seppo Gründler - Arbeitsplatz 2 - Modular. Teils sitzend, teils stehend, kommen ein Modular Synth, wie der Name schon nahelegt ein Synthesizer, der aus diversen Modulen besteht, die inspirierende Groove Box mit Grid-basiertem Sequenzer namens Novation Circuit sowie diverse kleinere Synthesizer zum Einsatz.
Seppo Gründler - Arbeitsplatz 3 - Büro. Im Sitzen, anders geht es nicht, wird per Laptop, einem Roli Seaboard, einer Stummelguitarra, verschiedenen Gadgets, einem Cellphone und unterschiedlichsten Hothands Musik zum Hören erzeugt.
Eine nähere Beschreibung des betriebenen Aufwandes würde jeder Wirklichkeit spotten.
Das Radio gibt es im Radio. Auf dem Handy kann man auch Radio hören, und sogar im Internet geht es. Radio ist allüberall, man kann es sogar im Weltall hören. Man braucht einen Radio und Luft für den Schall. Die Radiowelle selbst geht aber auch so.
Wenn Sie uns sehen können, ist es gut. Wenn Sie uns hören können, ist es besser, es ist eine Radiosendung. Wenn Sie uns sehen UND hören können, ist es am besten, dann sind Sie und Ihr Empfangsgerät schon da. Wenn Sie noch nicht da sind, können Sie noch herkommen, es ist in der Bürgergasse 5 in Graz/Österreich, mit fernsehn geht es nicht, es ist nahsehn mit Radio. Bitte beachten Sie den Sicherheitsabstand von einem Babyelefanten, in der Breite ca. ein Meter. Ihr Mund-Nasen-Schutz kann anderen nicht schaden.
Im Anfang war das Röhrenradio. Das Röhrenradio war grösser als ein Kofferradio, nur ohne Griff. Ein Griff hätte auch keinen Sinn gehabt, Röhrenradios gehen nicht mit Batterie und das Kabel ist viel zu kurz. Dafür haben sie vorne eine Stoffbespannung gehabt und viele auch ein Tigerauge, wo man sehen hat können, wie genau der Sender eingestellt ist. Manche sagen auch magisches Auge dazu. Wenn man Röhrenradio gehört hat, dann war es immer auch ein bissl warm. Manche sagen auch, dass sogar der Ton wärmer war als bei den neuen Radios.
Was Sie hören können: Josef Klammer und Seppo Gründler konzertieren, Ninja Reichert performt den Text. Was Sie sehen können, wenn Sie da sind: Josef Klammer und Seppo Gründler konzertieren, Ninja Reichert performt den Text. Was Sie nicht hören und nicht sehen können: Ich schreibe alles auf. Aufschreiben dauert aber, deswegen war ich gestern schon da. Morgen, hab ich gestern gedacht, morgen ist es zu spät. Wenn ich morgen erst anfange mit dem Aufschreiben von dem, was ist, hab ich gestern gedacht, geht sich das nie aus. Das ist viel zu langsam. Ausserdem: bis ich aufgeschrieben habe, was ist, ist es schon vorbei. Und bis das dann aufgeführt ist, ist das Aufgeschriebene schon Vergangenheit. Da wäre der Sonntag dann schon Montag, hab ich gestern gedacht. Das geht nicht, weil, da ist die Sendung schon vorbei. Sagen, was ist, das geht für eine Life-Sendung schon. Quasi eine akustische Bildbeschreibung vom gerade Seienden, das geht. Man braucht es nur sagen, das geht schnell, hab ich gestern gedacht. Da brauch ich aber dann nichts Aufgeschriebenes. Und keinen Aufschreiber. Noch schneller wäre nur, wenn das Seiende gerade ist, quasi jetzt live im Radio. Aber das ist es eh.
Nachher sind die Transistorradios gekommen, die waren viel kleiner und viele auch mit Batterie. Damit hat der Empfänger dann sein Gerät mit sich herumtragen können, weil es kein Kabel mehr gebraucht hat. Ein Transistor ist ein elektronisches Bauelement mit drei Beinen, das kleiner ist als eine Röhre. Die Transistoren selber sind dann weiterentwickelt worden und waren dann noch viel kleiner, und man hat ganz viele in einen integrierten Schaltkreis hineintun können. Wie das alles funktioniert, weiss ich aber nicht. Es ist erbärmlich, was man von der Welt versteht.
Was ich gestern trotzdem aufgeschrieben habe: Draussen wollen ein paar Leute wohin. Manche bleiben stehen und schauen herein. Viele schauen in ihr Handy, einige haben Stöpsel im Ohr. Die Geschäfte haben schon zu. Manchmal kommt ein Auto. Bus geht keiner mehr, der letzte war um dreiviertelsechs. Ein Hund mit Mann an der Leine geht in den Hof. Er macht sein Geschäft. Der Mann an der Leine will das Gackerl ins Sackerl tun. Es geht nicht gut, der Hund hat Durchfall. Weil der Mann sieht, dass ich ihn gesehen habe, wischt er noch mit Papiertaschentüchern herum. Der Hund wartet, bis der Mann fertig ist, dann geht er. Es gibt radfahrende Menschen. Zu bestimmten Zeiten hört man Glocken. Ab und zu ein Taxi. Aus den Lokalen ist es nicht laut wie früher. Was zu trinken wäre gut, denke ich. Ich gehe hinaus eine rauchen. Der Fleck am Boden stinkt. Nicht hineinsteigen, denke ich. Einzelne steigen hinein. Ich rauche noch eine. Ich setze die Maske auf und hole mir was zum Trinken aus dem Lokal.
Für das Radioprogramm auf der Welt braucht man einen Weltempfänger mit Antenne. Antennen gibt es verschiedene, das hängt von der Frequenz ab. Dazu gibt es im Radio eine Ferritantenne und auf dem Radio eine Teleskopantenne. Es gibt auch sehr kleine Einsteckradios, da ist das Kopfhörerkabel die Antenne. Der Längstwellensender Grimeton [ˈɡrɪ̂mːɛˌtɔn] hat eine Alexanderson-Antenne mit zwölf 2,2 km langen Kupferdrähten, die an sechs wie riesige Hochspannungsmasten aussehenden Türmen aufgehängt sind. Am Tag der offenen Tür wird auf der Frequenz 17,2 kHz eine kurze Morsebotschaft gesendet. Es ist in Schweden. Aus dem Weltall kommen auch Radiowellen. Weil das entfernte Signal sehr schwach ist, wird es in einer Schüssel aufgefangen. Die heisst Radioteleskop, und man braucht einen besonderen Radio, um es zu hören. Wenn man es sehen will, braucht man einen Bildschirm.
Ich habe mir einen Stuhl hinausgestellt und ein Tischchen. Die Tür hab ich halb offen, damit jeder sieht, dass ich da arbeite. Wenn halt wer fragt. Fragen täte, es ist aber keiner da. Auf dem Tisch mein Bier und der Aschenbecher, drinnen darf man nicht rauchen. Wenn was ist, schreibe ich es auf. Viel ist nicht, schreibe ich gerade, da geht wer vorbei und grüsst. Ich grüsse zurück. Ohne Brille weiss ich aber nicht, wer es ist. Er bleibt vorne stehen und liest das Plakat. Dann kommt er her und fragt. Ich kenn ihn nicht. Bis wir fertig sind, hab ich zwei geraucht. Ich komme dann morgen, sagt er. Dann geht er. Ich geh aufs Klo und hol mir noch ein Bier. Bin ich neugierig, denk ich, ob der morgen kommt. Ich rauche eine.
Über die berühmteste Radiosendung streiten sich die Leute. Ganz vorne irgendwo steht die Landung der Marsianer am 30. Oktober 1938 in Amerika. Die Leute waren sehr aufgeregt, obwohl es ein Hörspiel war. Also Kunst. Es gibt sehr viele Radiosendungen. Am öftesten sind die Nachrichten, aber das gilt nicht für berühmt, weil es immer nur Nachrichten sind. In Österreich berühmt waren zum Beispiel "Die Glocken von …" und "Autofahrer unterwegs". Dazu hat es Schnitzel gegeben oder Schweinsbraten oder Hendl. Es war am Sonntag zu Mittag. Berühmt ist auch am Sonntag am späten Abend das Kunstradio.
Der Wind hat gedreht, der Fleck vom Hund stinkt jetzt zu mir her. Der Geruch ist so, dass man ihn fast hören kann. Ich stelle Tisch und Sessel um. Jetzt ist es besser. Zu bestimmten Zeiten hört man Glocken. Ich trinke Bier, ich rauche. Manchmal Klo. Obwohl Samstag ist, tut sich fast gar nichts. Für die, die da in den Häusern schlafen, ist es jetzt viel besser. Die Gasthäuser leiden aber fürchterlich, sagen sie. Ich hole noch ein Bier, Zigaretten hab ich genug. Ich warte. Ausser mir ist aber praktisch nichts. Gottseidank ist mir nie fad, ich hab immer was zum Denken mit. Ich trinke Bier und rauche und denk ein bissl. Wenn jetzt nicht bald was zum Aufschreiben ist, denk ich zum Beispiel, dann denk ich mir was aus. Draussen geht ein Hund mit Mann an der Leine vorbei. Wenn man lange genug sitzt, denk ich, kommt jeder Hund einmal vorbei.
Der Vater hat mir einen Radio geschenkt. Den roten Zeiger hab ich auf 88,8 gestellt, da war die "musicbox", das war auch eine berühmte Sendung. Die hab ich gern gehört, aber nicht zu laut, weil der Vater die Musik nicht mögen hat. Am nächsten Tag bin ich von daheim mit dem Zug ins Heim gefahren, da ist der Radio nicht mehr gegangen, er hat nur mehr gerauscht. Ich hab gedacht, der Radio ist kaputt und hab geweint. Der Erzieher hat dann den roten Zeiger auf 99,9 gestellt, dann ist es wieder gegangen. Du musst die richtige Frequenz einstellen, hat er gesagt. Das Radio ist überall, aber die Frequenz ist wichtig, sonst hört man irgendwas. Oder halt Rauschen. Dann waren Nachrichten: In Monza ist der Formel1-Rennfahrer Jochen Rindt tödlich verunglückt, beim Training. Da hab ich wieder weinen müssen.
Jetzt ist es fast so spät wie dann, wenn morgen die Sendung anfangt. Sein tut aber gar nichts. Nichts zum Aufschreiben. Dass gar nichts ist, ist nicht typisch fürs Wochenende um die Uhrzeit. Normal ist es zumindest laut. Früher war es laut. Jetzt ist halt alles anders. Ich war am Klo und hab mir noch ein Bier geholt. Sitzen, trinken, rauchen, sonst ist nichts. Hoffentlich ist es morgen besser. Wenigstens ist Wetter. Das ist auch so eine Sache. Oft einmal regnet es, im Schnitt ist aber mehr Sonne. Oder es ist dunkel. Schneien tut es selten. Wolken sind trotzdem. Das Wetter ist wichtig, die Bauern brauchen es. Sitzen und warten. Entweder geh ich jetzt heim, denk ich, oder ich denke mir was aus. Ich warte. Ein Unfall wäre gut, denk ich, da gibt es immer viel zum Aufschreiben. Macht die Polizei ja auch. Unfall ist aber keiner.
Im Unterschied zum Deutschen, in dem "das Radio" alles mit dem Begriff Radio in Verbindung zu Bringende meint, gibt es im Österreichischen die deutliche Unterscheidung von "der Radio", hier ist ausschliesslich das Gerät gemeint, und "das Radio", was dann gleich ist wie im Deutschen, ausser dem Radio. Der Name Radio leitet sich vom lateinischen radius her, was unter anderem Strahl bedeutet. Es meint aber die Welle.
Was ich heute noch schnell aufgeschrieben habe: Wenn es gestern geregnet hat, dann war ich nicht da. Dann ist das Aufgeschriebene von früher. Oder es ist ausgedacht. Am Sonntag geht auf jeden Fall kein Bus, das ist fix. Das steht so auch auf dem Fahrplan. Ausführliche Informationen finden Sie im Internet. Wenn der Mann kommt, der gefragt hat, er ist sehr gross und hat wenig Haare, und er hat ein schwarzes Sakko an. Die Brille ist auch schwarz. Wahrscheinlich kommt er aber nicht. Der Hund mit Mann an der Leine kommt aber sicher, auf Hunde kann man sich verlassen. Sehen haben Sie ihn halt nicht können, die Sendung war später.