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presshaus II

erschienen auf www.gat.st, September 2010

 

Im Weltall wird nicht geraucht. Drinnen sowieso nicht, weil da Rauchverbot ist. Und draußen geht es nicht, weil keine Luft ist. Keine Luft, kein Rauch, so einfach ist das. Auf der Welt kann man aber schon rauchen, weil ja genügend Luft ist, draußen wie drinnen. Allerdings darf man nicht überall, wo Luft ist, rauchen, weil das Rauchen nicht gesund ist.

 

Deswegen haben sich die Verantwortlichen Sorgen gemacht und gesagt, dass man nicht überall, wo Luft ist, rauchen soll. Meistens ist es drinnen, wo mehr Menschen auf einmal zusammenkommen. Und weil der Mensch an und für sich schon nicht gesund ist, muss man da, wo er dann zusammenkommt, nicht auch noch rauchen. Das ist gescheit. Noch gescheiter ist es, es ist gleich verboten, weil sonst wieder einer heimlich raucht, das kennen wir ja. Und deswegen ist es jetzt echt verboten.

 

Ohne Ausnahme geht es allerdings nicht. Zum Beispiel darf man im Amt nicht rauchen, weil das eh klar ist. Außer, es steht ein Aschenbecher da, dann darf der Beamte schon rauchen, der Bittsteller allerdings nicht. Weil eben der Beamte an sich schon eine Ausnahme ist. Im Wirtshaus ist es wiederum so, dass man manchmal schon rauchen darf, oft aber auch nicht, das hängt von den Vorschriften ab.

 

Die Vorschriften sind allerdings auch verschieden, zumindest verstehe ich sie nicht. Und das verunsichert mich dann so, dass ich mir einfach eine anzünde. Jedes mal aber, wenn ich mir eine anzünd, muss ich lesen, dass das Rauchen mir und meiner Umgebung erheblichen Schaden zufügt. Und, dass das Rauchen zu Durchblutungsstörungen führen kann und Impotenz verursacht. Und überhaupt, dass das Rauchen tödlich sein kann.

 

Bis ich dann wieder was verstehe, hab ich ein halbes Packerl geraucht und mich sicher irgendwie strafbar gemacht. Da weiß ich dann wieder nicht, ob das der Sinn von einer Vorschrift sein kann und, ich hab es nicht einmal bemerkt, ich rauch schon wieder eine.

 

Wieso, denke ich, während ich rauche, kann eine Vorschrift nicht so sein, dass sie jeder verstehen kann? Wieso, denke ich, während auch mein Kopf zu rauchen anfängt, müssen Vorschriften so sein, dass es unmöglich ist, wirklich brav zu sein? Also, zu folgen. Den Vorschriften zu folgen. Wieso spricht der für mich Verantwortliche mit mir in einer Sprache, die er, und das habe ich geprüft, selbst nicht verstehen kann? Wieso?

 

Wenn ich mir das Presshaus herricht, muss der Herr Architekt oder die Frau Architektin, oder der/die BaumeisterIn, also eben der oder die, der oder die den Plan hat, mit den Leuten, die dann die Arbeit machen, auch in einer Sprache sprechen, die die eben verstehen. Weil das sonst nichts wird. Und das tu ich mir nicht an, dass ich dann in einem Haus wohn, das nichts geworden ist. In so einem Haus wohnt ja niemand. Weil eben der oder die PlanhaberIn so spricht, dass zum Schluss ein Ziegelstein auf dem anderen liegt. Und nicht irgendwie herum. Und dann oben noch das Dach, das ist aber eh klar, dass das Dach oben ist.

 

Und, das weiß ich, beim Herrichten gibt es viele Vorschriften. Beim Bauen überhaupt, da geht ohne Vorschriften gar nichts. Weil da eben welche sich vorher schon hingesetzt und nachgedacht haben, wie man das angeht, wenn man was baut. Deswegen ist das jetzt auch klar, dass das Dach oben ist. Obwohl ich nicht weiß, dass muss ich ehrlich zugeben, ob es da wirklich eine Vorschrift dazu gibt.

 

Auf jeden Fall habe ich oben beim Haus noch nie einen Keller gesehen. Also werden sie das sicher irgendwo aufgeschrieben haben, damit nichts schief gehen kann. Man weiß ja nie. Manche allerdings bauen dann schon so Sachen, wo man nicht weiß, was was ist. Also, und da bin ich jetzt auch ehrlich, wo ich nicht weiß, was was ist.

 

Oben und unten ist meistens klar. Beim Vorne und beim Hinten ist es oft so, dass es darauf ankommt, wo man steht. Außer, vorne ist eine Straße oder ein Platz. Das mit den Seiten ist das Schwierigste, die entstehen ja in der dritten Dimension von selbst. Und da weiß man dann oft nicht, was man mit denen anstellen soll, weil einem beim ganzen Planen von dem Oben, Unten, Vorne, Hinten die Zeit davongelaufen und nichts mehr übrig ist für den Plan von den Seiten. Wenn man Glück hat, kann man aber zwischen zwei Häuser hineinbauen, da sind die Seiten dann egal.

 

Beim Presshaus geht das leider nicht, das steht ganz alleine draußen, mit hinten einer Straße. Das habe ich vergessen, das geht auch, dass die Straße hinten ist. Beim Presshaus brauch ich also einen Plan für die Seiten. Obwohl, die Seiten sind schon da, die muss ich nicht mehr bauen. Die muss ich nur mehr herrichten.

 

Da brauch ich aber wieder wen, der die Herrichtvorschriften kennt und mir sagt, wie das mit den Ziegelsteinen geht. Und dem Dach. Oder die Fenster. Fenster haben wir noch gar nicht gehabt. Oder, wo ich rauchen kann. Da kenne ich mich auch nicht aus.

 

 

Werkzeug I
Sehr geehrte Redaktion,
es ist natürlich eine Dummheit, wenn ich so tu, als würd ich Ihnen Leserbriefe schreiben. Oder, und das wäre eine Kardinaldummheit, ich könnte glauben, Ihre LeserInnen brächten diesen Briefen, die tatsächlich keine Briefe sind, sondern nur eine in loser Folge dargebrachte Aneinandergereihtheit von Betrachtungen zu und über diese Welt, auch nur das geringste Interesse entgegen.
(Bild: Albert Pall)

 

Werkzeug II
Oder, und da hörte sich dann jede Dummheit auf, ich lebte in der Zuversicht, diese Illustrationen einer (Selbst-)Reflexion der Verfasstheit unserer Gesellschaften und Kulturen könnten Einfluss nehmen auf den Wandel, dem eben diese unterworfen sind. Das wäre blöd.
(Bild: Sandra Ziagos)

 

Werkzeug III
Nun bin ich allerdings nicht schwach und verworren im Verstand, wie es eine Dummheit brauchte. Auch mangelt es mir keinesfalls an Selbstvertrauen, oder ich hegte gar Furcht und Ängstlichkeit im Umgang mit der Welt (wie es die Blödheit mag, um ja nicht aufzufallen).
(Bild: Angelika Thon)

 

Sie nennen es Arbeit
Vielmehr umtreibt mich ein „dummes Verhalten infolge zu hoher Intelligenz“ (als solches in der Literatur beschrieben), welches zu meinen Lasten tiefe Spuren in meinem Leben hinterlässt. Das nach außen Getragene, das Werk, mein Werk, schleicht sich hinterrücks als Wahrheit in mein Innerstes zurück und schreibt sich ebenda über die eine, die einzig große Wahrheit, über das Licht der Welt, das alles überstrahlt.
(Bild: Elmar Gubisch)

 

Pause
Daraus nun gebiert sich eine Eitelkeit, die sich im großen Blablabla dem Selbstgefallen widmet, einer Tätigkeit, der ich mich, und Schande falle über mich, nur allzu gerne widme. Diese neue Wahrheit, meine Wahrheit, drängt mich weiter. Und drängt mich nun hierzu: Geehrte Redaktion, mein Herz liegt offen. In tiefster Bescheidenheit die Bitte: lassen Sie mich weiter für Sie schreiben!
(Bild: Martin Zrost)

 

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