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sonntag

erschienen auf www.gat.st / juni 2005

 

Von 1,2 Milliarden verkauften Fischstäbchen kriegt der Finanzminister 200 Millionen. Was der damit macht, weiß ich nicht. Jedenfalls gibt es die nicht in den Kantinen von den Ministerien. Und schon gar nicht in der Kantine vom Parlament. Dort gibt es nur feine Sachen. Oder das, was sie dafür halten. Fischstäbchen sind nicht fein. Vielleicht wegen dem Käptn Iglo. Oder dem Kartoffelsalat.

 

Aber vielleicht waren die ja früher fein, damals, wie sie erfunden worden sind. Da hätte es dann welche gegeben in den Kantinen von den Ministerien, und auch in der vom Parlament. Aber es waren ja keine da. Es war nichts da. Gar nichts. Und das andere war kaputt.

 

Wir haben ja alles erst wieder aufbauen müssen. Mit unserer Hände Arbeit. Mit unserer bloßen Hände Arbeit. So war das nach dem Krieg. Keine Mehrwertsteuer. Keine Fischstäbchen. Nichts. Nur Arbeit war genug. Aber keiner da, der die hätte zahlen können. Wir haben ja nichts gehabt. Gut, der Amerikaner. Aber das hat auch gedauert, bis das in die Gänge gekommen ist. Und am Anfang hat es ja ganz schön schlimm ausgeschaut. Die Revanchisten. Die wollten ja nicht, dass wir uns wieder aufrichten, etwas schaffen. Schaffen können.

 

Die Roten haben sowieso alles mitgenommen. Und die Franzosen und die Engländer haben selber nichts gehabt. Also der Amerikaner. Die sind reich geworden mit dem Krieg. Im Krieg. Sind ja auch fleißig. Ich hab das gleich verstanden mit dem Marshallplan. Und mit den Care-Paketen. Wirtschaft eben. Aber keine Fischstäbchen. War damals Hering. Das hätte außer den Engländern eh keiner gegessen. Bei uns nicht. Panierter Hering. Obwohl, einen Kühlschrank hab ich schon gehabt. Hat natürlich eine Zeit gedauert. Damals hat alles seine Zeit gedauert. Aber wenn man keine Zeit hat, geht sowieso nichts weiter.

 

Ich hab die Zeit genutzt. Ich hab ja vorher schon geschaut, dass ich nachher was habe. Das hat sich ausgezahlt. Ich war jung und fleißig, so habe ich gearbeitet. Und mit meiner Hände Arbeit hab ich mir dann was erworben. Ich habe mir etwas geschaffen. So hat mich die Währungsreform nicht so getroffen. Geld war ja keins da. Grundbücher schon. Und die anderen Sachen auch. Die haben die Leute ja verkauft, weil sie das Geld gebraucht haben. Und gespart für schlechte Zeiten. Die haben wir ja genug gehabt. Das Geld war dann halt nichts mehr wert. So ist die Welt verschieden.

 

Fischstäbchen hat es noch immer nicht gegeben. Aber was haben wir gebaut. Wir haben die Stadt praktisch neu erfunden. Und das Land. Alles neu. Ein Aufbruch in die Zukunft. Sicher, hergerichtet haben wir auch. Alte Häuser und so weiter. Kirchen. Wir haben ja Glück gehabt. Bei uns war nicht ganz so viel kaputt. Und schnell ist es gegangen.

 

Ich habe ja alle gekannt. Alleine von den Eltern her. Die mich auch. Die waren ja alle wieder da. Die einen früher, die andern etwas später. Und wer hätte das denn machen sollen. Die haben das halt können. War nicht leicht, wieder von vorn anfangen. Aber es ist was geworden aus mir. Aus uns. Man muss die Wirtschaft halt verstehen.

 

War auch nicht leicht damals. Mit den Ideologien. Die waren schon extrem verschieden. Aber das hat sich dann entwickelt. Hat man sich halt geeinigt, die haben ja auch ein Geld gebraucht. Da sind wir alle gleich. Und nach und nach dann auch die Fischstäbchen, jetzt schon Kabeljau. Kartoffelsalat haben wir ja vorher schon gehabt, da braucht es ja nicht viel. Und das Hendl, und das Schnitzl, und der Schweinsbraten. Das waren Sonntage. Autofahrer unterwegs, sie hören die Glocken von. Goldene Zeiten.

 

Und dann die Roten an der Macht. Zuerst war das ein Schock. Alles aus, hab ich gedacht. Nur kurz natürlich. Die Roten bauen auch, nicht so schön halt. Das ist eine eigene Architektur. Schon groß, aber vor der Schönheit haben sie Angst. Schaut aus wie Luxus, denken die. Egal. Die hab ich ja auch alle gekannt. Obwohl, da sind einige schon spät gekommen. Zurückgekommen. Haben sich halt hinauf gearbeitet. Stetig. Das muss man anerkennen. So haben wir uns geeinigt. Weil, gebaut wird immer. Das ist wie beim Bäcker.

 

Man muss flexibel sein. Das ist natürlich leichter, wenn was geht. Aber ein bisserl was geht immer. Man darf nur nicht bescheiden sein. Und Pleite gehen macht dann auch nichts. Das hab ich vom Amerikaner gelernt. Das schadet nur der Firma. Selber macht man dann was Neues. Flexibel eben. Und Fischstäbchen für die Kinder. Selber nicht mehr, wegen dem Cholesterin von der Panier. Gesünder leben, Sport und Freizeit. Ist auch gut fürs Geschäft. Ein Geschäft macht man eh nicht im Büro. Eher schon am Tennisplatz, das heißt, nachher. Oder beim Golf. Oder am Klo.

 

Goldene Zeiten. Krisen auch. Die gibt es immer wieder. Das trifft dich hart, wenn du Leute freistellen musst. Sind Menschen, Schicksale. Obwohl, die meisten kenn ich ja nicht mehr. Dazu ist die Firma schon zu groß. Trotzdem, Schicksale. Ist hart, wenn wir sparen müssen. Die öffentliche Hand. Sind ja eigentlich meine Leute. Aber von Wirtschaft bitte... Politik eben. Ist jetzt auch schon wieder besser. Jetzt kann man wieder etwas machen. Die Jungen haben da mehr Verständnis. Die haben das auch gelernt. Die verstehen das. Keine Betonköpfe.

 

In der EU sind die Fischstäbchen deutlich billiger geworden. Und den Kartoffelsalat gibt es fertig abgepackt. Aber die Kinder sind jetzt auch schon groß. Die haben selber welche. Und in meinem Alter heißt es gesünder Leben. Außerdem, früher war das noch Kabeljau. Jetzt ist es Seelachsfilet. Das ess ich lieber so. Oder Kabeljau. Oder sonst was Gutes. So gut geht es uns.

 

Das ist der Fortschritt. Wie ich jung war, hat es ja nichts gegeben. Und viele von den Sachen, die dann gekommen sind, gibt es heute schon wieder nicht mehr. So ist das. Wirtschaft heißt ja Fortschritt. Fortschreiten im Sinne der Menschen. Ich mache das ja nicht für mich. Da kommen ja noch Generationen. Ich hab ja selber Kinder. Und Enkelkinder. Und die sollen es ja besser haben als wir. Wir haben ja nichts gehabt. Es war ja nichts da. Gar nichts. Und das andere war kaputt. So ist es jetzt schon besser.

Luftbild
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Aufbau
Aufbau

 

Care Pakete
Care

 

erste Erfolge
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