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kapital - lesson II

"il conto bomba"

erschienen auf www.gat.st, Oktober 2008

 

Frühpension also. Mindestens. Mindestpension halt. Und weil sich das nicht ausgeht, Ausgleichszulage. Weil von keinem Einkommen kein Auskommen sein kann. Da kann keiner davon leben. Deswegen wird das ausgeglichen. Von der Pensionsversicherung. Vom Staat. Also wir. Obwohl ich ja noch was tun kann. Könnte. Aber arbeiten nicht.

 

Arbeiten könnte ich natürlich schon was. Aber das ziehen sie von der Pension ab. Wenn sie es wissen. Wenn sie es nicht wissen, heißt arbeiten tun. Also sag ich nichts und tu was. Dann wissen sie es nicht und ziehen nichts ab. Dafür krieg ich weniger Geld für das Tun und habe Angst vor dem Finanzamt. Und der Versicherung.

 

Weil ich jetzt weniger kriege, muss ich mehr tun. Damit es sich ausgeht. Weil die Preise nicht ausgeglichen sind. Dafür bin ich billiger. Wenn ich arbeiten täte, wär ich sowieso zu teuer. Trotz der Erfahrung. Aber billiger nehmen sie mich schon. Wenn ich billiger bin. Wenn ich was tu. Mit der Erfahrung.

 

So spart sich dann der eine was, und der andere hat was. Da bleibt was in den Händen. Für den einen. Für mich auch. Nur der Staat schaut durch die Finger. Sagen sie. Und dass das nicht gerecht ist. Weil der Staat wir sind. Aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Das stimmt nur in der Rezession. Wenn es der Wirtschaft schlecht geht. Dann ist der Staat wir.

 

Wenn es der Wirtschaft nämlich gut geht, geht es der Wirtschaft gut. Dann ist Gewinn. Gewinn wird privatisiert. Weil es Geld ist. Und weil es Privatwirtschaft ist. Wenn dann kein Geld mehr ist, weil es privat ist, geht es der Wirtschaft wieder schlecht.

 

Geht es der Wirtschaft schlecht, geht es uns schlecht. Das ist so. Eigentlich ist ein Verlust, wenn es der Wirtschaft schlecht geht. Aber die Wirtschaft kann den Verlust nicht zahlen, weil sie kein Geld hat, weil es privat ist. Wenn Verlust ist, ist sowieso kein Geld. Da braucht die Wirtschaft gar nicht rechnen. Also zahlen die Privaten den Verlust. Der Verlust wird sozialisiert, sagt man. Und so hat jeder was.

 

Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht sie zur Bank und nimmt Kredit, weil sie ja kein Geld hat. Dann macht sie was. Sie unternimmt was, das sagt man auch. Die Bank hat aber kein Geld, weil sie auch Wirtschaft ist. Die Bank ist sowieso was eigenes. Da muss das Geld arbeiten, obwohl sie keines haben. Sie gibt der Wirtschaft aber trotzdem Geld, weil die Privaten eins hingetragen haben. Damit das Geld arbeitet. Jetzt macht die Wirtschaft was. Zum Beispiel einen Kasten.

 

Wenn ich jetzt einen Kasten brauche, geh ich zur Bank und nehm Kredit. Weil ich keinen Gewinn habe. Und privat auch kein Geld. Dann gehe ich zur Wirtschaft und kauf den Kasten. Und zahl der Wirtschaft den Kredit und den Gewinn. Dann geht’s der Wirtschaft gut. Und ich habe einen Kasten.

 

Wenn ich dann privat wieder ein Geld hab, zahl ich der Bank den Kredit und den Gewinn. Dann geht’s der Bank gut. Weil die Bank auch Wirtschaft ist, geht’s jetzt der ganzen Wirtschaft gut. Und wenn es der Wirtschaft gut geht, geht’s der Wirtschaft gut. Dann ist Gewinn. Und der Gewinn wird privatisiert, weil es Geld ist.

 

Geht es der Wirtschaft schlecht, geht sie auch zur Bank und nimmt Kredit. Und ich zahl den Verlust und den Kredit und den Gewinn. Ohne Kasten. Und so geht das bis in die Puppen, egal, ob gut oder schlecht.

 

Für mich ist es aber blöd. Geht’s der Wirtschaft gut, hab ich einen Kasten. Geht’s der Wirtschaft schlecht, hab ich keinen Kasten. Mein Geld ist aber trotzdem weg. Und ich hab Verlust, weil ich den Kredit und den Gewinn von der Wirtschaft hab zahlen müssen. Und den Kredit und den Gewinn von der Bank. Schulden hab ich. Das ist, weil ich keine Wirtschaft bin. Keine Wirtschaft, kein Gewinn. Kein Gewinn, kein Geld. Nichts privat. Und sozialisieren hab ich auch nichts können.

Wenn der Gewinn jetzt kein Geld ist, ist es viel besser. So wie beim Presshaus. Zum Beispiel.

 

Zinslehre
Anlässlich der Schuldenkrise von Mexiko im Jahr 1985 haben die mexikanischen Katholiken Estelle und Mario Carota ein formelles Ersuchen an den Vatikan gerichtet und darum gebeten, die Position zum Zins darzulegen. Die Kongregation für Glaubenslehre unter der Leitung von Kardinal Ratzinger hat geantwortet, dass die Lehre über den Zins nie neu formuliert worden sei und sich also nichts geändert habe, dass es aber im Vatikan heute niemanden mehr gäbe, der in dieser Frage kompetent sei.

 

Zinsertrag
Dies macht mehr als deutlich, dass das gegenwärtige System des Kapitalertrages keine Glaubensfrage ist (was oft bestritten wird), da selbst der Vatikan das freie Spiel der Märkte für seine Kapitalgeschäfte akzeptiert und damit quasi säkularisiert hat. Das Kerngeschäft des Stadtstaates, die Verbreitung der religiösen Glaubenslehre, ist dabei nur nach einer simplen Einnahmen-/Ausgabenrechnung in den Wechselwirkungen zur Realwirtschaft betroffen und kann daher auch so dargestellt werden. Das Glaubensbekenntnis selbst verbietet ja nach wie vor die Einhebung von Zinsen.

 

Prozentlehre
Im Unterschied zum "moneybag phenomenon" (lesson 1), das quasi ausschließlich auf physikalischen Größen basiert, haben wir es beim Zinsertrag mit einer simplen Prozentrechnung zu tun. Diese setzen wir als handhabbar voraus (1%=100%/100). Während der Zinssatz sich nicht verändert, hat die zur Berechnung angenommene Grundzahl (Anfangskapital) in der Praxis radikale Auswirkungen:

 

Einkommen
a) angenommene Ausgangssituation: Im Jahr 2000 verdienen die Vorstände der an der Wiener Börse notierten Unternehmen im Schnitt 20-mal mehr als die durchschnittlichen Beschäftigten, im Jahr 2007 das 48-fache. Das österreichische Durchschnittsgehalt (im Jahr 2000 Euro 23.940,00 brutto p.a.) steigt in diesem Zeitraum um insgesamt 14,24%.

 

Prozentertrag 1
b) Kapitalveranlagung / Zinseszins: Der jährliche Zugewinn (die "Lohnerhöhung" = linearer Anstieg vom 20 zum 48-fachen des Durchschnittseinkommens, bzw. 14,24%/7) wird als Kapital zur Verzinsung auf einem Konto angespart. Als Zinssatz wird 5,5% p.a. angenommen. Es ergibt sich als Gesamtertrag für den Vorstand ein 78,6 prozentiges "Zusatzgehalt" im Verhältnis zum Jahreseinkommen 2007, während sich der/die Durchschnittsverdiener/in über 15,53 Prozent freut.

 

Prozentertrag 2
Oed.

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